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Sonntag, 20. September 2015

Char Siu - kantonesisches Grillfleisch


Wenn Herr Westerhausen sich erstmal etwas in den Kopf gesetzt hat, setzt er das in der Regel auch um, komme da was wolle. Gestern zum Beispiel hatten wir Besuch von einem lieben Freund, dadurch war zwar keine Zeit zum Bloggen, dafür konnte ich aber ein lang geplantes Projekt verwirklichen, nämlich Char Siu (sprich: "Tschar-Schau", "Tschar Schuh" oder "Tschar Sju", je nach Dialekt) - gegrilltes Schweinefleisch aus der chinesischen Provinz Guangdong, hierzulande auch Kanton genannt. Normalerweise wird das auf Haken gespießt hängend in speziellen Öfen gegart, ich wollte es aber über indirekter Hitze im Kugelgrill probieren - nach den Rippchen mein zweiter Versuch in dieser Richtung. Es hat zwar in Strömen gegossen, aber das hält mich nicht davon ab, die Kohlen anzuheizen. Schließlich gibt es ja sowas wie Sonnenschirme, mit denen man sich auch vor sintflutähnlichen Regengüssen schützen kann.


Wir brauchen einiges an Zutaten. Zunächst natürlich Schweinefleisch. Das sollte möglichst nicht zu mager sein. Nacken oder Schulter bieten sich hier besonders an. Durch die lange Garzeit bei niedriger Temperatur bleibt das Fleisch schön saftig und trotzdem schmilzt das Fett fast komplett heraus.
  • 1,2 kg Nackenbraten ohne Knochen
  • Mei Kuei Lu Chiew
  • Zucker
Mei Kuei Lu Chiew ist ein starker chinesischer Schnaps mit Rosenblütenaroma. Ersatzweise kann man Gin oder Rosenwasser nehmen.


Ich habe das Stück Nacken mit einem "Schmetterlingsschnitt" auf-, jedoch nicht durchgeschnitten. So kann ich anstelle von Nackensteaks längere, dafür aber dünnere Bahnen schneiden.


Dann habe ich das Fleisch in drei Stücke geschnitten.


Diese werden mit Zucker und dem Schnaps eingerieben. Mengenangaben kann ich hier nicht geben, aber man muss hier nicht sparsam sein. Ich schätze mal, je drei Esslöffel der Zutaten werden es wohl mindestens gewesen sein.

Das Fleisch darf nun mit Folie bedeckt mindestens drei Stunden ruhen.  


Kommen wir nun zur Hauptmarinade. Dazu brauchen wir an flüssigen Zutaten:
  • 6 EL helle chinesische Sojasauce
  • 1 EL Hoisinsauce
  • 1 EL Austernsauce
  • 1 EL schwarze Bohnenpaste
  • 1 TL dunkle chinesische Sojasauce
  • 1 EL chinesischen Reiswein (Shaoxin)
  • 1 EL Sesamöl

Feste Komponenten:
  • 1 EL gehackter Knoblauch
  • 1 EL gehackter Ingwer
  • 1 gehackte Schalotte
  • 1 TL gemahlener weißer Pfeffer
  • 1,5 TL Fünf-Gewürz-Pulver
  • 1 TL Salz

Die Marinadezutaten verühren. 


Das Fleisch wird nun schon etwas Flüssigkeit abgesondert haben. Das ist aber nicht schlimm, denn ...


... die wird einfach mit der Marinade verrührt. Das ganze darf jetzt noch mindestens weitere drei Stunden (oder länger, gerne auch über Nacht) mit Folie bedeckt ruhen.


Hier habe ich den Grill vorbereitet. Dazu habe ich ein paar Briketts im Anzündkamin vorglühen lassen und neben andere gelegt. Die Idee ist, dass die glühenden Kohle langsam die benachbarten Briketts, sozusagen im Dominoeffekt entzündet und ich so über lange Zeit eine stabile und vor allem nicht zu starke Hitze habe.   

Da ich ja indirekte Hitze möchte, liegt die Kohle nur auf einer Seite des Grills. Auf die andere Seite habe ich eine mit Wasser gefüllte Auflaufform gestellt. Das Wasser soll angeblich helfen, die Temperatur zu halten. Außerdem hilft es, das Grillgut vor Austrocknung und den Grill vor heruntertropfender Marinade zu schützen.


Das Fleisch wird nun über die Schale gelegt.


Die Lüftungsschlitze habe ich nur leicht offen gelassen.


Außerdem habe ich bei einem Ofenbauer ein hitzebeständiges Isolier-Klebeband gekauft, um den Deckel abzudichten.


Beim Garen über indirekter Hitze empfiehlt sich der Einsatz eines Fleischthermometers, am besten mit langen Kabel und einer Anzeige, die außerhalb des Grills abgelesen werden kann. Ich möchte hier kein Pulled Pork, sondern Fleisch, das sich noch in Scheiben schneiden lässt. Ich habe deshalb so um die 70°C Kerntemperatur angestrebt, war am Ende aber auch mit 65°C mehr als zufrieden. Die oben angezeigten 55°C waren nach etwa eineinhalb Stunden erreicht. 


Etwa um dieser Zeit habe ich das Fleisch noch einmal mit Marinade bepinselt und gewendet. Das habe ich je nach einer Stunde - insgesamt drei Mal - gemacht. 


Nach etwa vier Stunden habe ich mich an die Glasur gemacht. Dazu brauchen wir:
  • 120 ml Wasser
  • 180 g braunen Zucker
  • 180 Honig (oder 350 g Maltose)
Die Zutaten werden kurz aufgekocht, bis sich alles aufgelöst hat ... 


... und das Fleisch damit bepinselt. Dieser Vorgang wird nach zwanzig Minuten noch einmal wiederholt, das Fleisch dabei gewendet. Nach weitere zwanzig Minuten und erneutem Wenden und Bepinseln sollte unser Char Siu genussfertig sein.


In der Zwischenzeit gibt es noch schnelles Stir Fry mit dem Wokbrenner. Vorgegarte chinesische Nudeln kurz anbraten, ... 


... dann mariniertes Rindfleisch unter starker Hitze - die 26 kW sind hier sehr hilfreich - braten, ...


... klein geschnittenes Gemüse ebenfalls schnell im Wok garen ...


... und alles zusammen mit Sojasauce, Reiswein, Zucker, Salz und weißem Pfeffer vermischen. Bei dieser Hitze ist das Thema in unter vier Minuten durch. Ich kann es gar nicht oft genug erwähnen, die extreme Hitze macht geschmacklich tatsächlich einen enormen Unterschied. Eine Anleitung für Bratnudeln finden wir übrigens hier.


Aber zurück zum Char Siu. Das ist nämlich jetzt fertig. Vor dem Anschneiden bepinsele ich es noch einmal mit dem Honigwasser. Wer eine stärker karamellisierte Kruste möchte, könnte noch einmal mit der Lötlampe oder eine Crème Brûlée-Brenner darüber gehen. Ist aber nicht nötig, genausowenig wie die Zugabe von roter Speisefarbe an die Marinade. Das macht man in China hin und wieder, aber bei mir hat das Fleisch durch die Marinade auch so eine schöne Röte gehabt.   


Das Fleisch mit Reis anrichten, Sojasauce und Honigwasser zum Dippen dazu servieren 


Hier kann man noch einmal schön sehen, mager selbst der eigentlich fette Schweinenacken durch die lange Garzeit geworden ist. Außerdem sieht man die Schöne Röte am Rand des Fleisches. Selbst die Gattin, die sonst keine Freundin von Nackenbraten ist, war begeistert. Das Ganze war schon aufwendig und zeitintensiv, hat sich aber auf jeden Fall gelohnt. Ich werde mit dieser Gartechnik in Zukunft sicherlich noch viel experimentieren. 

2 Kommentare:

  1. das sieht aber toll aus. super sache. ich beneide dich um deine guten ideen

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    1. Das ist ein original chinesischer Klassiker. Ich würde das nicht unbedingt "meine Idee" nennen wollen.

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