Kentucky Fried Copy

Ich habe ja nichts gegen warmes Wetter und freue mich über jeden Feierabend, den ich auf der Terrasse verbringen kann, aber wenn die Luft schon morgens schwül und drückend steht, ohne dass ein Lüftchen weht, ist das nichts für "mein Vatter sein einzigster Sohn". So hatte auch mein Kreislauf direkt nach dem Aufstehen mehrfach andere Vorstellungen davon, in welche Richtung sich mein Körper bewegen sollte, als ich. So richtig in Schwung kam der alte Mann heute dann auch nicht und erst gegen Nachmittag ging es dann wieder. Abends war ich dann wieder soweit fit, dass ich spontan ein wenig Hühnchen frittiert habe, nach einem Rezept, das schon länger auf meiner to do-Liste stand.

Irgendwann bin ich auf den YouTube Kanal des kanadischen Hobbykochs Glen gestoßen. Der hat dort unter anderem eine Serie veröffentlicht, in der er verschiedene KFC-Clone-Rezepte, teilweise auch eigene, ausprobiert hat. Glen hat sich sogar eine authentische Hochdruck-Fritteuse beschafft, ein Gerät, von dem Normalsterbliche nur träumen können. Das Rezept, dass ich heute hier vorstelle ist von ihm und seiner testessenden Frau als ziemlich nah am Original genannt worden. Klar, dass ich da neugierig geworden bin und das, wenn auch mit dem schnöden Wok für das Fettbad, ausprobieren musste. Ich habe mir dabei aber die Freiheit genommen ein, zwei Dinge aus anderen Rezepten, die Glen lobend hervorhob, miteinzubauen. 

Zunächst gilt es, die geheime Gewürzliste des Colonel Sanders zu entschlüsseln. Das Originalrezept ist natürlich unter Verschluss, man weiß nur, das jenseits der berühmten eleven herbs and spices es immer wieder Änderungen am restlichen Rezept oder der Garmethode gab.

Die 11 Gewürze und Kräuter, so wie Glen sie als "nah am Original" sieht:

• 1,5 EL weißer Pfeffer
• 1,5 EL schwarzes Pfeffer
• 1 TL Salbei
• 1 TL Koriandersaat
• 1 TL Ingwerpulver
• 1 TL Cayennepfeffer
• 3/4 TL Majoran
• 3/4 TL Rosmarin
• 3/4 TL Thymian oder Bohnenkraut
• 1/2 TL Knoblauchpulver
• 2 Zacken Sternanis
• 3 Nelken

Des Weiteren

• 150 g Salz

Wer jetzt mitgezählt hat, wird sagen: "Das sind aber zwölf und nicht elf Kräuter und Gewürze". Richtig, aber wir sind mal großzügig und zählen die beiden Pfeffersorten mal als eins.

Auch das Salz gehört zwar zur Gewürzmischung, wird aber nicht mitgezählt. Fragt mich nicht. Wichtig ist nur, dass die Gewürze und Kräuter getrocknet und fein gemahlen abgemessen werden.

Das kann man dann gut in einem Glas lagern. 

Glen gibt in seiner Rezeptliste noch rund einen Esslöffel MSG - Glutamat - an und im KFC-Rezept ist definitiv welches enthalten. Letztlich muss jeder selbst wissen, ob er sowas nutzen will oder nicht. Es geht auch ohne, wird dann aber nicht wie das Original schmecken. 

Das echte KFC-Rezept weist scheinbar auch noch zwei andere Purin-Nukleotide auf, die auch im japanischen Dashi zu finden sind und die Wirkung von MSG noch verstärken - Geschmacksverstärker-Verstärker sozusagen. Dabei handelt es sich um die Natriumsalze Dinatriuminosinat und Dinatriumguanylat. Wo man sowas als Hobbykoch in Mengen unterhalb von 4000 Literkanistern bekommt, weiß ich nicht. Ich weiß nicht mal, ob ich das überhaupt wissen will.

Der Würzprozess bei KFC hat sich in den Jahren scheinbar ständig verwendet. Damit die mehlige Würzmischung an den Hühnerstücken haftet, müssen diese befeuchtet werden. Dazu hat man entweder eine Brine aus Salz und Gewürzen, Buttermilch oder eine Milch-Ei-Mischung benutzt. Irgendwann ist man dann dazu übergegangen, das Huhn einfach nur in Wasser zu befeuchten.

Die Milch kam dann dafür in Pulverform zum Mehl.

Genau wie das Ei. Freunden der Molekularküche wird Trockenei nicht unbekannt sein.

Damit wir vorankommen, brauchen wir nun:

• 200 g Mehl
• 100 g Kartoffelstärke
• 1 EL Trockenmilch
• 1 EL Trockenei
• 40 g Gewürzmischung

Alles gut vermischen. Hühnerstücke - ich nehme Schlegel - in Wasser tauchen und dann gut im Würzmehl wenden.

Auch hier ist der Prozess im steten Fluss. mal wird nur einmal in Mehl gewendet, dann war wieder double-dipping angesagt, also Flüssigkeit - Mehl - Flüssigkeit - Mehl. Scheinbar gilt auch hier die alte Nilquellen-Weiheit des Dr. Livingstone: "Wer suchet, der findet".

Öl auf 180° C erhitzen und Stücke darin acht Minuten frittieren.

Sieht schon gut aus.

Kurz abtropfen lassen, erneut im Mehl wenden und weitere vier Minuten bei 180° C fertig ausbacken. Für Temperaturfetischsisten: eine Kerntemperatur von  70° C ist okay.

So sieht das dann aus. Knusprig, duftend und heiß wie nur irgendwas.

Nach einer adäquaten Abkühlzeit ist das immer noch knusprig  - ich denke, dafür sorgt das Kartoffelmehl - und es schmeckt super lecker. Vielleicht mische ich das nächste Mal mehr Gewürz unter das Mehl oder lasse das Huhn wirklich erst ein paar Stunden in einer Brine ziehen, damit es noch kräftiger wird. Aber das ist auch so innen super zart und außen kross und würzig. In der Erinnerung schmeckt es wie KFC, vermutlich sogar besser, aber dafür bräuchte ich jetzt eine Gegenprobe. Ich werde aber sicher jetzt nicht bis nach Bad Oeynhausen - ironischerweise das Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalens - fahren, um mir da einen Eimer fettiger Hühnerteile zu ergattern.  

Statt Coleslaw gibt es heute Salat von der eigenen Tomate dazu. Das schmeckt noch so, wie es schmecken sollte. 

____

Flashback:

Vorgestern vor einem Jahr: Pan con Chicharrón Peruano - das Bratenbrötchen aus den Anden