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Samstag, 10. November 2018

Coronation Chicken


Diesen Beitrag aus der losen Reihe "Gerichte mit Geschichte" muss man vermutlich im Kopf mit einer Rolf Seelmann-Eggebert Stimme lesen, denn nun wird es königlich. Wir reisen heute nämlich mit der Zeitmaschine zurück in das Jahr 1953, genauer gesagt zum 2. Juni besagten Jahres. Her Majesty, Queen Elizabeth II, ist seit einem Jahr Königin Großbritanniens und lädt zu ihrem Krönungsmahl, dem sogenannten Coronation Banquette ein. Also versammeln sich aus diesem Anlass Hunderte von noblen Gästen im Buckingham Palace. Man kann sich denken, dass hier erlesen gespeist und getrunken wird, umso mehr verwundert es, dass das Einzige, das von diesem Mittags-Menü in Erinnerung bleiben wird, ein Hühnersalat mit Currydressing ist: coronation chicken (Krönungs-Hühnchen).


Elizabeths Mutter, in späten Jahren allgemein als Queen Mum bekannt, war zu ihrer Zeit als Königsgemahlin nebenberuflich auch noch Kaiserin von Indien. Diesen Titel trug ihre Tochter nie, denn der Subkontinent gelang bereits 1949 in die Unabhängigkeit - Gandhi, wir erinnern uns. Trotzdem durfte bei dem Baquett ein indischer Hauch nicht fehlen. Entwickelt wurde das Rezept von der Profiköchin Rosmary Hume, die es später zusammen mit der Kochbuchautorin Constance Spry veröffentlichte (beide Damen übrigens Cordon Bleu-Absolventinnen). Spry schrieb dazu:
"Man würde es nicht wagen, einer großen Menge von Gästen mit verschiedenen und unbekannten Geschmäckern ein Currygericht im eigentlichen Wortsinne zu servieren". 
Es musste also etwas sein, das zwar den Hauch von indischer Exotik bot, ohne jedoch die Gaumen der Anwesenden zu überfordern. Mit fast 70 Jahren Abstand würde man heute sagen: "Gut, das ist eine kompliziert gemachte Cocktailsauce mit Curryaroma - so what?" aber damals war das in etwa so, wie bei uns das Toast Hawaii: ein Hauch von wilder Exotik in der grauen Nachkriegszeit. Das erklärt auch den eingangs erwähnten Umstand, dass der Salat über die Jahre in Erinnerung geblieben und heutzutage hauptsächlich als Sandwichbelag zu finden ist. Nachdem Hume und Spry 1956 ihr Kochbuch veröffentlichten, wurde dies vermutlich sogar zum ersten britischen TV-Dinner überhaupt - exotisches Essen zur "neuen" Technologie Fernsehen - das hätte damals irgendwie nicht besser passen können.


Zunächst brauchen wir gekochtes Huhn. Rosemary Hume verlangt für 6 - 8 Portionen nach zwei jungen Hähnchen, die mit Karotte, Kräuterbündel, einem Schuss Wein, Salz und Pfefferkörnern gar geköchelt werden. Ich habe hier stattdessen eine einfache Hühnerbrühe aus einer Poularde gekocht. Geht auch. Die Flattermänner sollen in der Flüssigkeit erkalten, dann wird das Fleisch von Haut und Knochen befreit und mundgerecht gewürfelt.


Als nächstes brauchen wir eine Curry-Reduktion. Dazu nehmen wir:
  • 1 mittelgroße Zwiebel
  • 2 TL Currypulver
  • 1 EL Tomatenmark
  • 1 Glas Rotwein
  • 1 Glas Wasser
  • Salz
  • Pfeffer
  • Zucker 
  • 1 TL Öl
sowie (wenn auch nicht im Bild zu sehen)
  • 1 Zitrone
  • 1 Lorbeerblatt

Zwiebel schälen und fein hacken. Drei bis vier Minuten im Öl sanft glasig braten. Currypulver hinzufügen und weitere zwei Minuten köcheln lassen. Das Curry entfaltet so sein Potential, es darf nur nicht anbrennen, deshalb immer schön rühren und riechen.


Tomatenmark hinzufügen, dann mit Wein und Wasser ablöschen. Hitze erhöhen und das Ganze zum Kochen bringen. Mit Salz, Pfeffer, Zucker und einem Spritzer Zitrone abschmecken, zwei Zitronenscheiben und das Lorbeerblatt hinzufügen. Etwa zehn Minuten offen einkochen lassen.


Durch ein feines Sieb passieren und abschmecken. Die Sauce sollte süßlich mit feiner Säure sein. Ich bin an dieser Stelle ehrlich: eigentlich haben wir hier nur einen stinknormalen Curryketchup hergestellt. Aber immerhin auf Cordon Bleu-Niveau. Das ist doch auch was.


Mayonnaise kann man natürlich auch fertig nehmen, aber ich finde, man muss wenigstens einmal den ganzen Weg zu Fuß gegangen sein, bevor man Abkürzungen nimmt. Also Eigelbe mit etwas Essig, einem Spritzer Zitronensaft Salz (eine Prise Zucker kann auch nicht schaden) in ein hohes Gefäß geben ...


... und mit dem 29,99 € Pürierstab in Sekundenschnelle zu Mayonnaise verrödeln.


Nun schlagen wir noch etwas Sahne locker auf. 


Für die Süße in der Sauce sorgen heutzutage oft Sultaninen. Das Originalrezept möchte von uns aber ein Aprikosenpüree haben. Das wäre aus frischen Aprikosen vermutlich schöner, aber man kann auch getrocknete nehmen, halbieren, eine Stunde in Wasser quellen lassen und dann zerhäckseln. 


Nun muss der Salat nur noch zusammengebaut werden. Dazu nehme ich sechs Löffel Mayonnaise und verrühre sie sanft mit vier Esslöffeln Curry-Reduktion, zwei Esslöffeln Aprikosen und zwei weiteren Esslöffeln Sahne. Mit Salz, Pfeffer, Zucker (oder mehr Aprikosenmus) und Zitronensaft abschmecken.

Dressing unter das Huhn heben. Es soll schön ummantelt sein, aber nicht schwimmen.


Das Coronation Chicken sieht auf grünen Salatblättern ganz gut aus. Dazu gibt es Reissalat mit Kräutern und einem leichten French Dressing.

Klar, man kommt mit Mayo, Ketchup und etwas Curry einfacher ans Ziel. Das Ganze schreit natürlich auch bei jedem Bissen "Welcome to the 50s", aber mal ganz ehrlich, manchmal ist Retro einfach cool und das hier schmeckt sogar richtig gut. Long live the Queen!
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Flashback:


6 Kommentare:

  1. Ein Klassiker...ganz toll erläutert! Gratuliere! Kompliment :-)

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    1. Wie gesagt, kann man alles einfacher haben, aber egal wie, es bleibt ein Klassiker. Danke für das Lob. ;)

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    1. Mehrere davon wären auch nicht zu ertragen.

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    2. Ich habe es heute zu den Krönungsfeierlichkeiten Karls des 3. zubereitet und, passend zum neuen Monarchen, ein paar eigene Ideen Einfliessen lassen.

      Statt Zwiebel habe ich Schalotte genommen, die ich vorher in Erdbeeressig mariniert habe, zudem ein wenig Mangomus und ein löffelchen orangenmarmelade mit in die reduktion gegeben. Statt Currypulver habe ich Currypaste verwendet, die brennt nicht so leicht an und schmeckt intensiver.

      Statt Aprikosenmus oder Sultaninen sorgen bei mir fein gehakte Mango und gehäutete Mandarinen für Süße und etwas mehr frische und statt geschlagener Sahne habe ich Griechischen Joghurt verwandt. Ausserdem habe ich der Mayonaise noch eine gute Menge Currypulver hinzugefügt (ich mag einfach einen stärkeren Currygeschmack, und es muss ja nicht einer Internationalen Gesandtschaft, sondern mir schmecken).

      Mit dieser Version des "Coronation Chicken" sind sowohl ich als auch meine Familie sehr zufrieden. Es wird wohl von nun an unser Silvesteressen. Einfach extrem lecker.

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    3. Klasse. Das sind alles sehr, sehr gute und vor allem schlüssige Variationen. Mir ging es hier allerdings um das originale Rezept und da waren mir die Hände weitgehend gebunden. Ich freue mich aber sehr, dass du ausgerechnet meinen Versuch, diesen Klassiker zuzubereiten, als Vorlage genommen hast. Und ob wir nun die britische Monarchie mögen oder nicht, als Humanisten wünschen wir natürlich jedem Menschen ein langes, gesundes Leben und King Charles III darüber hinaus eine glückliche Regentschaft.

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