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Samstag, 8. Februar 2020

Nyonya Chicken - Kari Kapitan


Die Geschichte der Menschheit ist auch schon immer eine Geschichte der Migration gewesen. Zu allen Zeiten haben Vertreter unserer Spezies ihre jeweilige Heimat verlassen, um in der Ferne ihr Glück zu versuchen. Sei es Forscherdrang, Eroberungswille oder die pure Not - was auch immer uns hier rastlos werden lässt, es ist so alt, wie der Mensch selbst. Dabei entstehen nicht zwangsläufig Konflikte, Auseinandersetzungen oder gar Kriege, oft genug führt Migration auch dazu, Wissen zu verbinden und dadurch neue Dinge zu kreieren. Das gilt in erster Linie für Kultur, Technik und Wissenschaft, aber auch - und hier wird es für uns interessant - Kulinarik. Dafür habe ich heute hier ein gutes Beispiel: Nyonya Chicken von den malaiischen Inseln.


Im 14. und 15. Jahrhundert wanderten viele Festlandchinesen auf die malaiischen Inseln aus, um sich dort als Lohnarbeiter zu verdingen. Diese Chinesen - der Zeit geschuldet natürlich Männer - ehelichten dann ortsansässige Frauen. Durch diese Verbindung entstand die sogenannte Perenakan-Kultur. Die männlichen Vertreter dieser Gesellschaft nennen sich Baba und die weiblichen Nyonya, weshalb die Perenakan auch oft Baba-Nyonya genannt wird. Unser heutiges Curry ist also ein Huhn nach Art der Perenakan-Frauen. Geschmacklich intensiv und mit moderater, eher milder Schärfe, ist es eins der Gerichte, auf dessen Zubereitung ich mich schon seit langer Zeit freue. Heute war es nun soweit und ich kann nun pappsatt einen weiteren "done!"-Haken in meiner unendlich scheinenden Liste noch zu kochender Klassiker machen.


Im Netz findet man viele Rezepte, die sich im Grunde alle ähneln. Die Unterschiede sind klein, denn mal fehlt die eine, dann wieder die andere Zutat oder es wird zum Beispiel fertiges Currypulver statt einzelner Gewürze genommen. Wie in diesen Fällen üblich, habe ich mir so aus mehreren Rezepten ein eigenes zusammengestückelt, das mir schlüssig erscheint.

Zunächst brauchen wir eine Paste.
  • 1 TL Fenchelsamen
  • 1 EL Kreuzkümmelsamen
  • 2 - 3 Knoblauchzehen
  • 6 kleine rote Zwiebeln
  • 3 Schalotten
  • 3 rote Chilis (frisch) 
  • 6 - 8 getrocknete Chilis
  • 1 Stück Galgant
  • 1 Stück Kurkumawurzel 
  • der grüne obere Teil eines Zitronengrasstängels
  • 1 EL Limettensaft
  • 4 Kemirinüsse (Candlenuts)
  • 20 g Trassi (Belachan)
Eigentlich verlangt das Rezept nach zwölf asiatischen Schalotten. Habe ich nicht, geht aber auch so. Unsere Schalotten sind etwas größer, also reichen insgesamt 9 der zwiebeligen Gewächse, in diesem Fall durch kleine rote Zwiebeln ergänzt.

Kemirinüsse sind roh giftig. Geröstet oder gekocht werden sie ungefährlich und geben dem Essen ein nussiges, der Macadamia nicht unähnliches Aroma. Außerdem helfen sie gemahlen dabei, Saucen anzudicken.

Dann wäre da noch Trassi, manchmal auch Terasi oder Belachan genannt. Dabei handelt es sich um einen Block aus fermentierten Garnelen. Trassi riecht nicht etwa streng, es stinkt. Und das erbärmlich. Auch durch drei Lagen Plastik hindurch. Aber wie bei so vielen Sachen, gekocht wird das dann richtig lecker und bietet pures umami.


Außerdem brauchen wir ein gutes Huhn. Hier eine 1500 Gramm schwere Maispoularde aus gutem Hause und ohne Vorstrafen.


Dann hätten wir hier noch:
  • 1 Zimtstange
  • 1 Stück Sternanis
  • 2 EL Curryblätter
  • der weiße untere Teil des Zitronengrasstängels
Was fehlt noch?
  • 3 große Kartoffeln (festkochend)
  • 500 ml Kokosmilch
  • Salz
  • 2 EL Zucker (vorzugsweise Palmzucker oder brauner)
  • Öl
Die Kartoffeln können im Curry mitgekocht werden, dann hat man aber das Problem, dass sie unter Umständen andere Garzeiten als das Huhn haben und man so entweder harte Kartoffeln und übergartes Huhn, beziehungsweise zerkochte Knollen und rohes Geflügel hat. Also schäle ich die Kartoffeln, schneide sie grob in vier Stücke und koche sie separat in Salzwasser vor.


Zur Vorbereitung legen wir die getrockneten Chilis in eine Schüssel mit heißem Wasser und lassen sie eine halbe Stunde quellen. Galgant und Kurkumawurzeln schälen. Dabei am besten Handschuhe tragen, der Gelbwurz färbt wie nichts gutes.


Kein Mensch mag Alufolie. Aber manchmal ist sie praktisch. Also wickeln wir unser Stück Shrimppaste in besagtes Metall fest ein und legen es direkt auf die Herdplatte. Das Zeug muss nämlich angeröstet werden und das hier ist die sauberste und effektivste Methode.


Dann kommen alle Zutaten für die Paste - Zwiebeln und Knoblauch natürlich auch geschält - in eine Küchenmaschine oder einen Mörser.


Ein Jahr stand sie in der Küche herum, heute die Premiere: mein Küchenhelfer darf sich bewähren. Ein Schuss Einweichwasser der Chilis und etwas Öl helfen, eine homogene Paste zu entstehen zu lassen.


Das Huhn zerteilen wir in je zwei Unter- und Oberkeulen und Flügel. Das Rückenstück wird halbiert, die Brust geviertelt. 


Rein optional und vermutlich der chinesischen Tradition geschuldet: eine Marinade.
  • 2 EL helle chinesische Sojasauce
  • 1/2 TL Kurkumapulver
  • 1 TL gemahlener Kreuzkümmel
Mit dem Huhn vermischen und mindestens zwanzig Minuten stehen lassen.


Öl in einer großen Pfanne oder einem Wok heiß werden lassen, Zimtstange und Sternanis hinzufügen.


Paste in den Wok geben und bei mittlerer Hitze anbraten, dabei immer wieder gut durchrühren.


Irgendwann wird Paste sichtlich dunkler, es bilden sich kleine "Geysire" und das Öl setzt sich auf der Oberfläche ab.


Das ist der Moment, an dem wir das Huhn in den Wok geben. Curryblätter und der weiße Teil des Zitronengrasstängels dürfen auch dazu.


Kokosmilch angießen und gut durchrühren. Deckel auflegen und zwanzig Minuten zugedeckt sanft garen lassen. 


Zwischendurch mal umrühren, damit nichts am Boden anbrennt.


Nach zwanzig Minuten den Garpunkt des Huhns testen, im Zweifelsfall weiterköcheln lassen. Gekochte Kartoffeln unterheben und mit Zucker und Salz abschmecken.


Serviert wird mit Kurkumareis (nasi kunyit, Rezept folgt irgendwann) und/oder Brot zum Dippen. Die Gattin und die Sous-Chefin waren total begeistert, obwohl schon angemerkt wurde, dass das rohe Belachan im ganzen Haus zu riechen war. Im Essen ist das aber überhaupt nicht unangenehm und fügt allerhöchstens einen Geschmack hinzu, der entfernt an Sardelllen erinnert. Ich denke, die wären auch ein besserer Ersatz als thailändische Shrimppaste (Kapi) oder Fischsauce. Für mich eines der leckersten Currys, die ich gegessen habe und auch während ich das hier tippe gehe ich hin und wieder in die Küche und dippe eine Stück Baguette in die restliche Sauce. Der Wok muss ja auch leer sein, bevor ich ihn abwasche ...
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Flashback:


Heute vor einem Jahr: Grünschalmuscheln mit Knoblauchdip

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