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Freitag, 12. Juni 2020

Mole poblano


In diesem Blog ist ja schon öfter der Satz gefallen: "Weniger ist manchmal mehr". Das hat sich aber scheinbar nicht in allen Teilen der Welt herumgesprochen und besonders in Mexiko, genauer gesagt dem Bundesstaat Oaxaca hat man da ganz andere Vorstellungen. Die Zutatenliste der berühmten mole poblano - einer Sauce, die einem mexikanischen Nationalheiligtum gleichkommt und hauptsächlich mit gekochtem Hühnerfleisch serviert wird - liest sich dann auch so abenteuerlich, dass es einem schwindelig werden könnte. Die einzig logische Erklärung ihrer Entstehung ist, das irgendwann einmal in einer mexikanischen Küche ein morscher Vorratsschrank zusammenbrach und dessen Inhalt genau in einen Topf auf dem Herd fiel, in dem gerade zufällig etwas Wasser kochte. Wie das nun so ist, die Hausfrau hatte sich wohl gerade am Gartenzaun mit den Nachbarn festgequatscht und als sie die Küche wieder betrat, hatte die wilde Mischung schon eine Stunde vor sich hingeköchelt. Wegschütten wollte die Frau das nicht, also dachte sie sich: "Wenn ich das nun gründlich püriere und Schokolade dazu gebe, mag es wohl schmecken". Alternativ könnte auch ein Zapotekenschamane an den falschen Pilzen geleckt haben und dann einfach alles, was nicht bei drei auf der Yuccapalme war, in einen Kessel gebröselt haben. Eine Legende besagt übrigens, dass arme Nonnen in einem mexikanischen Kloster in ihrer Not tatsächlich alle Küchenreste zusammengekippten, als der Bischof unangemeldet zu Besuch kam und verlangte, verköstigt zu werden. Könnte auch stimmen, man weiß es aber nicht.


Eins ist Fakt, Dialoge wie "Schatz, heute gibt es Huhn in Chilisauce." - "Super, ich hole schon mal die Butterkekse und Bananen" wird man bei uns eher weniger hören, in Mexiko sind sie aber wahrscheinlich keine Seltenheit.

Es gibt hier nun zwei Schulen. Entweder kocht man das Fleisch extra, zum Beispiel in einer Brühe oder man gart es direkt in der Mole, was dann natürlich für mehr Geschmack an der Sauce sorgt. In diesem Fall werden Knoblauch und Zwiebeln separat angebraten. Ich habe aber auch Rezepte gesehen, die völlig ohne Lauchgewächse auskamen. Ich vertraue da aber einem alten, scheinbar von einer VHS-Kassette hochgeladenen Video auf YouTube, in dem eine traditionell gekleidete Mexiakanerin Mole kocht. Ein weiteres sehr gutes Video scheint mir das von howtocookmexicanfood zu sein. Das ist dann aber ohne Knoblauch und Zwiebeln, aber sonst dem anderen sehr ähnlich. Ich denke mal, mit den beiden als Referenz kann man gar nicht so schief liegen.



Mole muss man in großen Mengen machen, sonst schmeckt das nicht. Ist auch kein Problem, denn Reste lassen sich sehr gut einfrieren. In Mexiko nimmt man dazu Tontöpfe, die cazuelas, die es in allen Größen gibt. Die braucht man nicht unbedingt und mit unserem "modernen" Kochgeschirr lässt sich auch viel einfacher arbeiten. Man sollte allerdings den größten Topf nehmen, den man hat. Was man aber für ein authentisches Ergebnis definitiv braucht, sind einige Zutaten, die man vermutlich nur in speziellen mexikanischen Läden - vielleicht auch Asiashops - oder online bekommt. Da wären zum einen die Chili. Die Wahl der richtigen Sorte ist eine Wissenschaft für sich und für Außenstehende mindestens so verwirrend, wie die Pastavielfalt Italiens. Während man Chipotle, das sind getrocknete und geräucherte Jalapeño eventuell noch finden wird - zur Not auch gemahlen - sieht es bei Pasilla und Mulato schon anders aus. Ähnlich verhält es sich mit Abuelita, einer in Blöcke gepressten Trinkschokolade mit Gewürzen. Kann man schlecht ersetzen, also muss das Zeug bestellt werden, da hilft nichts.


Die Zutaten:
  • 55 g Chile Pasilla
  • 55 g Chili Mulato (manchmal auch "Ancho" genannt)
  • 5 Chile Chipotle

Hier noch mal in Einzelansicht. Chili Pasilla (auch Chili Negro) sind etwa fünfzehn bis zwanzig Zentimeter lang und schmal. Mit 1000 - 4000 Scoville sind sie eher mild.


Chili Mulato oder Ancho sind etwas kürzer, dafür aber viel breiter. Ihr Schärfegrad ist mit 2500 bis 3000 Scoville auch eher gering.


Dann wären da noch die Chipotle Chili. Das sind, wie gesagt, im Rauch getrocknete Jalapeño. Die haben mit 2500 bis 8000 Scoville schon etwas mehr Rumms, blasen aber auch weder Hermana noch Hermano den Sombrero vom Kopf.


Des Weiteren:
  • 5 Koblauchzehen
  • 1 Zwiebel
  • 3 reife Kochbananen
  • 55 g Kekse (siehe unten)
  • 55 g Mandeln
  • 55 g Erdnüsse
  • 55 g Rosinen
  • 1 TL Anissamen
  • 55 g Sesamsaat (plus extra für die Deko)
  • 6 cm Zimtstange
  • 5 Nelken
  • 1 runde Tafel Abuelita (gepresste Trinkschokolade)
  • Salz
  • Zucker
  • Öl
Die Kekse der Wahl sind die sogenannten galletas de animaltos, ein kleines Gebäck in Tierform. Die gibt es als Butterkekse auch bei uns zu kaufen. Ansonsten sind die runden spanischen runde Maria-Kekse nicht ganz unüblich. Notfalls tut es auch Weißbrot.

Bei den Mandeln und Erdnüssen kann man die etwaig vorhandenen roten Häute entfernen, muss man aber nicht.

  • 1,5 kg Stücke vom Huhn, am besten mit Haut und Knochen
  • 1 kg Schweinerippen (optional)
Normalerweise ist mexikanisches Essen ohne Mais undenkbar. Wenn nun hier keiner im Gericht ist, sollte wenigstens das Huhn eine Maispoularde sein.


Zur Zubereitung: den Stilansatz der Chipotle Chili abbrechen und die Schoten in etwas Wasser aufkochen lassen. Vom Herd nehmen und eine Stunde ziehen lassen.




Auch die anderen beiden Chilisorten vom Stil befreien, längs aufschneiden und Kerne, sowie die hellen Trennwände weitgehend entfernen. Schoten dann in einer schweren Pfanne von beiden Seiten trocken anrösten, dabei immer schön gegen den Boden das Bratgeräts pressen bis sie sichtbar dunkler werden. Das macht man am besten im Freien oder am offenen Fenster, weil die Dämpfe fies sein können.


In eine Schale geben, mit Wasser bedecken, kurz warten, das Wasser wieder abgießen und durch frisches ersetzen. So gehen wir sicher, das kein Schmutz mehr an unseren Schoten haftet Nun lassen wir auch das ebenfalls eine Stunde quellen.


Der Sesam wird trocken angeröstet, ...


... ebenso der leicht zerbröselte Zimt. Nicht anbrennen lassen, es soll nur toll duften.


Knoblauch und Zwiebel schälen, dann klein würfeln. In etwas Öl anrösten. Aus der Pfanne nehmen und für später in einer Schale zwischenparken.


Das Fleisch der Kochbananen in fingerdicke Stücke schneiden und in ordentlich Öl goldbraun ausbacken. Herausnehmen und beiseite stellen.


Mein Name ist Lars und ich mache seltsame Dinge mit Lebensmitteln. Hier frittiere ich Kekse. Hätte ich früher auch nie gedacht, aber "Tel Aviv", wie der Franzose sagt. Sind die Cookies schön dunkelbraun, werden sie ebenfalls zur Seite gestellt.


Danach geschieht dasselbe mit den Mandeln. Auch hier heißt es dann raus aus der Pfanne und abtropfen lassen.


Nun wiederholen wir den Vorgang mit den Erdnüssen. Man merke: je dunkler wir diese Sachen frittieren, desto dunkler wird auch die Sauce.


Das Öl in der Pfanne ist jetzt schon deutlich weniger geworden. Zeit, die Rosinen hinzuzufügen. Diese werden gebraten, bis sie sich schön aufgebläht haben.


Wir kippen die kleinen Kugeln jetzt mit dem Restöl aus der Pfanne - jawohl, es ist kein Diätgericht - in eine Schüssel, geben 250 Milliliter kaltes Wasser dazu und streuen die Anissamen ein. Die können jetzt ein wenig ziehen und ihr Aroma besser entfalten.


Früher wurde nun der ganze Kladderadatsch auf der Metate, einer leicht gewölbten Steinplatte mit einer schweren Steinrolle, beide aus Vulkangestein, von Hand zu Brei verarbeitet. Aber früher hatte Mexiko auch noch einen (österreichischen) Kaiser. Wir können also getrost eine Küchenmaschine nehmen. Die sollte aber über ausreichend Kraft verfügen. Wir beginnen damit, das wir Sesam und Zimt mit etwas Einweichwasser der Chili sehr fein pürieren. Es sollte keine Stückchen mehr in der Sauce sein. Das Ergebnis geben wir dann in ein großes Gefäß.


Die anderen Zutaten ebenfalls zu einer glatten Paste verarbeiten, am besten in mehreren Durchgängen. Hier geben wir das Resultat zum Sesammus, allerdings durch ein Sieb - es muss kein Haarsieb sein, ein Spaghetti sieb reicht - um etwaige gröbere Stücke herauszufiltern. Ein kleiner Tipp zum Pürieren. In Mexiko gibt es spezielle Mole-Blender, die sehr viel Power haben. Unsere Küchenmaschinen können da in die Knie gehen und im schlimmsten Fall durchschmoren. Man muss darauf achten, dass beim Pürieren oben ein Strudel auf der Oberfläche zu sehen ist. Fehlt dieser, zeigt dies, dass unser Küchengerät kämpfen muss. Hier soll man dann eine Schuss Wasser hinzufügen, um das Ganze zu verdünnen und damit den Motor zu entlasten. Ist dann der Strudel zu sehen, müsste man auf der sicheren Seite sein.


Nun erhitzen wir Öl in einem großen Topf und geben die Hühnerstücke und, wenn verwendet, Schweinerippe hinein und braten sie auf mittlerer Hitze für dreißig Minuten. Etwas Salz kann nicht schaden. 


Jetzt geben wir die Mole hinzu und lassen das Ganze dann etwa eine Stunde köcheln. Die Sauce wird dabei deutlich dunkler werden. Zwischendurch immer wieder umrühren, damit nichts anbrennen kann - was oft schneller geschieht, als man denkt.


Auch die Schokolade darf nun in den Topf. Noch mal zwanzig Minuten köcheln lassen. Dann mit Salz abschmecken. Das Fleisch ist nun gar und man könnte das jetzt schon essen. Howtocookmexicanfood empfiehlt aber, mit der Schokolade 250 Milliliter Wasser hinzuzufügen und die Mole dann noch weitere zwei Stunden unter gelegentlichen Rühren eindicken zu lassen. So intensiviert sich der Geschmack, die Sauce wird aber insgesamt bekömmlicher.


Ich bin mal ganz ehrlich, die Sauce alleine ist nicht so der Knaller, aber zusammen mit dem Fleisch ein Genuss, wenn auch für den europäischen Gaumen völlig ungewohnt. Die Gewürze kommen gut durch, es riecht fast ein wenig nach Kaffee mit einem Hauch von Garam Masala. Das Fleisch ist butterzart und die leicht rauchige, aber moderate Schärfe passt hervorragend. Sicher, das ist schon ein recht aufwendiges Rezept und ich werde das bestimmt nicht jeden Tag kochen, aber man sollte es mal probiert haben.
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Flashback:



Heute vor zwei Jahren: Nur mal so ... (Teil 120) - Vegetarisch geht auch

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