Heute wird es ein wenig theoretisch, da wir uns neben dem obligatorischen Rezept mit der "Traditionellen Chinesischen Medizin" (TCM) beschäftigen. Die kennen die meisten - wenn überhaupt - entweder nur aus esoterischen Schwurbeleien oder wenn sich die Diskussion mal wieder um getrocknete Tigergenitalien, pulverisiertes Nashorn-Horn oder gedörrte Fledermaus am Stock dreht. Wissenschaftlich ist auf diesem Gebiet wenig bis gar nichts bewiesen und ich werde auch nicht behaupten, das hier wäre besser als die Schulmedizin (ist es nämlich auch bei Weitem nicht), aber irgendwie werden die Menschen in China ja trotzdem alt und das auch schon zu Zeiten, in denen bei uns in Europa mit 40 Jahren der Ofen aus war. Vielleicht wird doch einfach intuitiv einiges richtig gemacht und dann eine unnötige "Lehre" darumgestrickt, vielleicht ist es auch ein Fall von Placeboeffekt oder gar eine Mischung aus beiden - wer weiß es? Aber egal was es ist, TCM hat einige brillante Rezepte hervorgebracht und die Freude an gutem Essen kann ja auch schon so für sich heilende Effekte haben. Lange Vorrede, kurzer Sinn, heute gibt es Hühnersuppe mit roten Datteln und Wolfsbeeren oder Hóngzǎo gǒuqǐ jītāng (红枣枸杞鸡汤), gekocht nach den Vorgaben der "Traditionellen Chinesischen Medizin". Das Rezept stammt übrigens aus Guangdong (Kanton).
TCM basiert einfach gesagt auf dem Gedanken, dass es zwei Kräfte gibt (Yin und Yang), die ausgewogen sein müssen, damit die Lebensenergie Qi im Gleichgewicht bleibt, da es sonst zu Krankheiten kommt. Lebensmittel werden demzufolge in Yin (kühlend, weiblich) oder Yang (wärmend, männlich) unterteilt. Darüber hinaus gibt es neutrale Zutaten, die aber auch in die eine oder andere Richtung tendieren können. Ich habe versucht, mich einmal in die Sache einzulesen und habe durchaus Widersprüchliches gefunden, was vielleicht auch darsan liegen mag, dass TCM eben keine exakte Wissenschaft ist und verschiedene "Schulen" auch unterschiedliche Wege gehen. Entscheidend ist hier aber nur, dass auch Chinesen schon vor Ewigkeiten entdeckt haben dass Erkältungen (zu viel Kälte, also Yin) durch Hühnersuppe (die viel Yang enthält) bekämpft werden kann. Gehen wir die Zutaten für unsere Suppe mal einzeln durch.
Hier haben wir die chinesische rote Dattel, Jujube Zǎo (枣) oder Hóngzǎo (红枣) genannt. Sie soll bei Verdauungsproblemen helfen, das Herz schützen und entzündungshemmende, beziehungsweise antioxidative Eigenschaften haben. Auch sie ist eine neutrale Zutat. Man bekommt sie in drn meisten Asia-Märkten.
Dann haben wir noch chinesischen Engelwurz oder Dāngguī (当归). Dabei handelt es sich um das Rhizom eines Doldenblütlers und dies wird meist getrocknet verwendet. Das Gewächs ist eindeutig Yang und soll bei Bauchschmerzen und Regelproblemen helfen, sowie Blutzirkulation anregen und bei kalte Extremitäten wieder aufwärmen. Ich wette selten, aber ich bin mir sicher, dass man diese Wurzel nur in gut bestückten Asialäden bekommt. Ansonsten bleibt einem wohl nichts anderes übrig, als im Internet nach Bezugsquellen zu recherchieren.
Ingwer in Scheiben. Da er nicht mitgegessen wird, braucht er auch nicht geschält zu werden. Diese Wurzel ist ebenfalls eindeutig Yang.
Frühlingszwiebeln werden zum Suppekochen traditionell geknotet. Das spart zum einen Platz im Topf, hilft zum anderen aber auch, die Fasern aufzubrechen, damit sie mehr Geschmack an die Brühe abgibt. Andi Brühe war übrigens von 1982 bis 1995 linker Außenverteidiger bei Schalke 04 und wäre fast in den WM-Kader von 1986 aufgenommen worden. Ist natürlich völliger Quatsch, denn das war natürlich bereits 1963 und er war auch Feldhandballer. Egal, wichtig ist nur - liest hier eigentlich noch jemand mit? Ich lasse demnächst einen Test schreiben - dieses zwieblige Gewächs ist ebenfalls Yang, wobei die weißen Teile stärker als die grünen sind. Das ist ausdrücklich weder rassistisch noch politisch.
Huhn - Fleisch ist generell Yang, wobei Huhn hier deutlich schwächer als zum Beispiel Rind, Lamm oder Schwein. In China wird für diese Suppe gerne ein Seidenhuhn verwendet. Die sind unter dem plüschig-weißen Federkleid - Haut, Fleisch und sogar Knochen - durch und durch schwarz. Sie gelten als besonders gesund. Ein normales Huhn tut es aber auch.
Hier noch einmal die Zutaten in der Übersicht:
- 600 g Hühnerfleisch mit Haut und Knochen
- 3 Frühlingszwiebeln
- 6 Scheiben Ingwer
- 2 EL chinesischer Engelwurz
- 6 Jujube
- 2 EL Goji
Alle Zutaten - bis auf die Goji - in einen Topf geben, gut mit kaltem Wasser bedecken und aufkochen. Aufsteigenden Schaum abschöpfen. Abgedeckt für mindestens zwei Stunden leicht simmernd köcheln lassen.

Die Brühe wird dann oft auch einfach nur pur - nach Geschmack gesalzen - angeboten. Durch den Engelwurz hat sie einen leicht grasigen, irgendwie an Tee erinnernde Nuance. Das hat ihr wohl auch auf Englisch den Namen Chinese herbal chicken soup eingebracht.
Man kann, ach was, man sollte sie aber auf jeden Fall mit einigen der mitgekochten Zutaten genießen: zerrupftes Hühnerfleisch, in Streifen geschnittenen Pilze, Goji, entkernte Datteln und frischen Frühlingszwiebel. Wie gesagt, ich bin kein Arzt und halte diese Qi, Yin, Yang-Kiste für ebenso esoterisch wie die Lehren Galens über die vier den Elementen Luft, Feuer, Erde, Wasser zugeordneten Körpersäfte (Blut, Gelbgalle, Schwarzgalle, Weißschleim), die den Charakter beeinflussen, aber die Suppe schmeckt und das allein zählt. Das ist hier nämlich immer noch primär ein Kochblog und nicht das Apothekenblatt. Also lieber zum Arzt gehen, wenn es zwickt. Trotzdem kann es ja nicht schaden, diese Suppe ja nebenbei auch nicht schaden.
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Flashback:Heute vor drei Jahren: Kao Pad Sapparod - thailändischer Bratreis mit Ananas
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