Dienstag, 7. November 2017

Die Piccata-Files


Wie das so ist, man sitzt da am Wochenende gemütlich und schaut sich Kochvideos auf den einschlägigen Plattformen an. Man folgt hier einem Link, klickt da auf ein Vorschaubild und lässt sich im Prinzip mit der Strömung treiben. So auch ich am Sonntag. Irgendwann bin ich dann bei einem Video eines italo-amerikanischen Kochs gelandet, der ein Gericht namens chicken piccata zubereitete. Dabei handelt es sich um dünne Hähnchenbrustfilets in einer zitronigen Buttersauce mit Kapern. Zugegebenermaßen war mir die piccata bisher unbekannt, mein Interesse aber geweckt.

Die Zutaten klingen ja schon mal italienisch, trotzdem weiß man ja, dass italienische Einwanderer in den USA ihre Küche weiterentwickelt haben und so auch Gerichte entstanden, die vom Geist her zwar italienisch sind, im Heimatland aber völlig unbekannt. Meatballs and spaghetti sind so ein Beispiel. Kennt man ja auch von der chinesisch-amerkanischen Küche, der die Welt Sachen wie Chop SueyMongolian Beef oder General Tso's Chicken zu verdanken hat. 

Also habe ich begonnen, im Netz nach Rezepten für piccata zu suchen und bin insbesondere auf deutschen, schweizerischen und österreichischen Seiten auf ein Gericht namens Piccata milanese gestoßen. Dabei handelt es sich um dünne Scheiben Kalbsfleisch, die paniert - oft mit etwas Parmesan unter die Semmelbrösel gemischt - mit Spaghetti in Tomatensauce serviert werden. Manchmal macht man das auch ohne Brösel und nur mit  Mehl und Ei (vielleicht mit etwas Parmesan). Dies erschien mir aber völlig unitalienisch. Im klassischen italienischen Menü gibt es zwei Hauptgänge, den primo piatto, meist Pasta, und den secondo piatto, der üblicherweise aus Fleisch (carne) oder Fisch (pesce) besteht. Nudeln mit Schnitzel wäre hier ein wahrer Stilbruch. Darüber hinaus habe ich in den gängigen Kochforen Diskussionen gefunden, in denen erwiesene Mailandkenner oder sogar echte Milanesen beteuern, piccata milanese sei kein aus Mailand stammendes Gericht und dort auch weitgehend unbekannt. 

Also habe ich mich aufgemacht, italienische Rezeptseiten und Blogs zu durchforsten. Mein Italienisch ist dürftig, aber zum Lesen von Zutatenlisten reicht es. Zu meiner Überraschung habe ich dann tatsächlich Rezepte für piccata di vitello alla milanese gefunden. Diese ähnelten eher dem amerikanischen Gericht, jedoch ohne Kapern und mit Kalbsfleisch. Das dann aber ohne Bröselkruste. In Mailand werden eher dickere Kalbskoteletts paniert (Costoletta oder cotoletta alla milanese) und dieses Gericht hat wohl auch dem Wiener Schnitzel als Vorlage gedient. Diese piaccata hier wird aber nur mehliert. Ganz ohne Mehl und andere Hülle wären es auch normale scallopini. Es scheint aber, dass die italienische Variante des piccata milanese gar nicht aus dem Stiefelland stammt, sondern importiert worden ist, vermutlich aus den USA. In diesem Fall würde die Bezeichnung milanese nicht auf eine Herkunft aus dieser Stadt, sondern eher auf die Tatsache, dass "nach Mailänder Art" Kalbsfleisch zu verwenden sei, verweisen.

Lange Rede, kurzer Sinn, ich habe alle drei Varianten heute ausprobiert. 


Wir brauchen: 
  • 3 Kalbsschnitzel
  • 4 Hähnchenbrustfilets
  • 1 EL Kapern
  • 3 EL Parmesan
  • 160 ml Weißwein
  • 2 Zitronen
  • 1 Knoblauchzehe
  • 100 g Butter
  • Mehl
  • Ei
  • Paniermehl
  • Salz
  • Pfeffer
  • Cayennepfeffer
  • Olivenöl

Die Hähnchenbrustfilets "am Äquator" der Länge nach in zwei dünnere Hälften teilen. Das Rezept aus den USA verlangte den Einsatz eines Fleischklopfers. Das entspricht normalerweise nicht meinem Kochstil, aber was soll es, habe ich mir eben einen gekauft und die flachen Stücke damit noch flacher und weich geklopft. 


Mit Salz, Pfeffer und nach Wunsch etwas Cayennepfeffer würzen.


In Mehl wenden und im heißen Olivenöl von beiden Seiten goldbraun braten. Aus der Pfanne nehmen und beiseite stellen.


Mit den Kalbsschnitzeln, ich habe sie in zwei Stücke geteilt, genau so verfahren.


Kapern ins Bratfett des Huhns geben, ein paar davon mit einer Gabel andrücken.


Etwas gehackten Knoblauch dazu und mit 80 Millilitern Wein ablöschen. Reduzieren lassen.


Den Saft einer Zitrone hinzufügen, Huhn wieder einlegen. Dann 50 Gramm Butter in Stücken in die Pfannen geben. Butter schmelzen lassen, dabei immer wieder an der Pfanne rütteln. Mit Salz und Pfeffer abschmecken.

Beim Kalb die gleiche Prozedur, nur ohne Kapern.

Für die deutsche Variante das Kalbsfleisch salzen und pfeffern. Dann erst in Mehl, danach in aufgeschlagenem Ei und zum Schluss in Semmelbröseln mit Parmesan wenden. In genügend Olivenöl von beiden Seiten knusprig ausbacken.

Parallel dazu Spaghetti mit Tomatensauce kochen.


Hier die italo-amerikanische chicken piccata.


Gefolgt vom schlichten italienischen piccata di vitello alla milanese ...


... und dem deutschen Piccata milanese, allerdings mit Tagliatelle, weil ich die noch von gestern übrig hatte

Was war nun die beste Variante? Ich denke, die amerikanische mit Kalb statt Huhn wäre mein Favorit, denn Kapern und Zitrone harmonieren schon super zusammen. Etwas Petersilie darüber wäre nicht schlecht gewesen und Brot zum Aufstippen der Butter-Zitronensauce. Schnitzel mit Pasta hingegen brauche ich nicht so, aber jeder wie es beliebt.

Piccata-Files - CLOSED.
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Flashback:


Heute vor einem Jahr: Hühnersuppe mit Gemüse

2 Kommentare:

  1. Ich kenne als Piccata Milanese nur eine Variante ohne Paniermehl, da wird das Fleisch in einer Ei-Käse-Mischung gewendet und ist dann weniger pappig und schnitzelartig. Aber du hast recht, nicht sehr italienisch und kulinarisch auch keine Offenbarung, schon gar nicht zu Tomatenspaghetti...

    LG, Julia

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    1. Das mit der Mehl-Ei Hülle scheint eine schweizer (und wie ich lernen musste, auch österreichische) Variante zu sein. Würde ich eher mit Fisch machen, habe ich aber auch jetzt nachträglich im Artikel erwähnt. Wir Deutschen panieren halt gerne, vielleicht sogar mehr als die Österreicher. ;)

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