Dienstag, 20. November 2018

Poulet Marengo - The Battlefield Version


Wir schreiben den 12. Juni 1800. Es ist still geworden auf dem Schlachtfeld von Marengo in Piemont, Norditalien. Vereinzelt mag man noch Verwundete in Lazaretten wimmern hören, aber der Pulverdampf verzieht sich so langsam. Napoleon Bonaparte steht nach gewonnener Schlacht in seinem Feldlager, den rechten Arm ganz klischeehaft im Saum seiner Weste - nicht weil er Schmerzen hat oder ihn gar eine Kugel das herrschaftliche Herz traf. Nein, ihm knurrt nur nach getanem Tagewerk der kaiserliche Magen gewaltig. Also ruft er seinen Koch Dunand und beauftragt ihn zur Feier des Sieges etwas leckeres zu kochen, vorzugsweise mit Huhn, das mag der kurze Kampf-Korse nämlich besonders.

So könnte es ausgesehen haben. (Künstlerische Darstellung)
Dunand hat nun aber das Problem der Versorgung. Im Laufe der Schlacht wurden zwar die Österreicher unter Michael von Melas besiegt, die haben aber nach dem Prinzip der verbrannten Erde nicht viel Essbares übrig gelassen. Alles, was der Koch und seine Kumpane im Umland auftreiben können, sind ein paar Hühner, Tomaten, Knoblauch, altes Brot, Eier und Flusskrebse. In den eigenen Beständen - wir reden hier von einem Schlachtfeld und nicht der Küche des Élysée-Palastes - sind Salz, Pfeffer, Olivenöl und die obligatorische Flasche Cognac, die jeder Franzose bei Geburt ausgehändigt bekommt, stets mit sich zu führen und bei Verlangen vorzulegen hat. Aus diesen einfachen Zutaten zaubert Dunand das ursprüngliche Poulet Marengo. Und selbst wenn das alles nur ein Mythos sein sollte und die Wahrheit über die Entstehung des Gerichts anders aussieht, ist es eine schöne Geschichte, die es Wert ist, erzählt zu werden.


Der Kaiser, der übrigens auch später sein Pferd als Erinnerung "Marengo" nannte, war dem Gericht so zugeneigt, dass er es fürderhin nach jeder Schlacht essen wollte. Er duldete auch keine Variation und als Dunand später die Flusskrebse, die seiner Meinung nach nichts zum Gericht betrugen, gegen Champignons austauschte, wollte er davon nichts wissen. Was er wohl zu späteren Änderungen und Modernisierungen gesagt hätte? Éscoffier, zum Beispiel, hat da Trüffel zugegeben.

Noch ein Wort zur Größe, da ich die oben schon mal scherzhaft erwähnt habe (und dann ist auch Schluss mit der heutigen Geschichtsstunde ... fast zumindest). Napoleon war gar nicht so klein, wie er gerne dargestellt wird. Laut Kammerdiener betrug seine Höhe 5 Fuß, 2 Zoll und ein paar Zerquetschte. Wenn man hier das anglo-sächsische Maß anlegt macht das tatsächlich nur rund 1,52 Meter aus - eine Größe, die der alte Feind auf der Insel dankend für die eigene Propaganda nutze. Gemessen wurde aber natürlich in (alt-)französischen Einheiten und somit wäre der Korse tatsächlich knapp 1,70 Meter groß gewesen, also ganz normal, für einen Mann seiner Zeit.

Das Rezept, dass ich ausgegraben habe, stammt von einem Blog namens The French Cooking Academy. Was mir dabei gefällt ist, dass Koch Stephane hier aus der Hühnerkarkasse einen schnellen und simplen Fond hochzieht, genau wie Dunand das wohl auf dem Schlachtfeld gemacht haben wird. Ich kann mir auch nur schwerlich vorstellen, dass jemand literweise Brühe zum Kampf schleppt.




Wir brauchen für drei bis vier Portionen:
  • 1 Huhn (c.a. 1,5 kg)
  • 2 Zehen Knoblauch
  • 1 Glas Cognac (bzw. Weinbrand oder Brandy)
  • 400 g geschälte und gehackte Tomaten
  • 400 g kleine braune Champignons
  • 1 Scheibe Weißbrot pro Portion
  • 1 Ei pro Portion
  • Zucker
  • Salz
  • Pfeffer
  • Olivenöl
Noch ein Wort zu den Zutaten. Hier haben mir die Tomaten Kopfzerbrechen bereitet, schreibt doch die renommierte Effillee, das Tomaten erst um 1900 Einzug in die europäische Küche fanden, da man sie bis dahin für giftig gehalten hatte. Eine Recherche meinerseits hat aber aber ergeben, dass das für Nord- und Mitteleuropa zutreffen mag, nicht aber für Südeuropa. In Italien tauchen Tomaten schon im 16. Jahrhundert, also ziemlich schnell nach deren Einfuhr aus Amerika, als Zutat in Kochbüchern auf. Also dürfte das so in Ordnung sein. 


Zunächst zerteilen wir das Huhn in zwei Brustfilets, zwei Unterkeulen, zwei Oberkeulen, zwei Flügel (ohne Spitzen). Diese Teile lege ich zunächst zur Seite. Den Rücken des Vogelviehs hacken wir kleiner und rösten ihn mit den Flügelspitzen in Olivenöl für zehn Minuten rundum scharf an. Das geht in einer schweren Gusseisenpfanne am besten und passt auch in die Zeit Napoleons.


Dann löschen wir mit etwas Wasser ab, kratzen alle Rückstände vom Pfannenboden  und lassen das Ganze noch fünfzehn Minuten köchelnd reduzieren. Nun legen wir die Hähnchenteile beiseite (kann man noch später mal dran knabbern) und gießen die Flüssigkeit in ein Schälchen. Dies ist unser Saucenfond für später.


Jetzt salzen wir die ausgelösten Hähnchenteile und braten sie mit der Hautseite nach unten ebenfalls in Olivenöl scharf an.


 Fünf Minuten pro Seite sollten reichen um eine schöne Farbe zu erlangen.


Das Huhn wird nun wieder auf einem Teller zwischengeparkt. Jetzt darf der gehackte Knoblauch ins Fett. Kurz durchschwenken und den Cognac angießen. Der soll schön einkochen und nicht flambieren. Deshalb rät es sich, bei Gas das Feuer für einen Moment auszustellen. Hitze wieder erhöhen und Flüssigkeit reduzieren lassen, bis sie fast komplett verdampft ist. Der Franzose nennt das au sec.


Nun den Fond angießen, erneut alle Rückstände vom Boden kratzen, Tomaten hinzufügen und das Fleisch wieder einlegen. Knapp 25 Minuten köcheln lassen, dabei mindestens einmal wenden. Sauce mit Salz und Pfeffer, wenn nötig auch mit einer Prise Zucker abschmecken. Warmhalten.


Brot entrinden und in Olivenöl von beiden Seiten goldbraun anrösten. Auf einem Tuch entfetten.


In der Zwischenzeit die Pilze einfach in Olivenöl mit etwas Salz scharf anbraten.


Dazu gibt es eine Art Setzei. Dieses wird in ordentlich Öl fast mehr frittiert als gebraten. Hierfür gibt man sie ins heiße Fett und wenn die Ränder leicht soufflieren, löffelt man immer wieder heißes Öl über das Ei, bis es gar ist. Dann ebenfalls kurz auf Papier abtropfen lassen und leicht salzen.


Nun nur noch anrichten. Ein, zwei Hühnerstücke mit etwas Sauce auf den Teller geben, Pilze drum herum legen und das Ei auf dem Toast platzieren. Fertig ist der kaiserliche Schmaus.

Nach dem Krönungshuhn von Königin Elizabeth II und dem heutigen napoleonischen Essen, fragt sich die Familie, was denn nun als nächstes kommt. Vielleicht "päpstliches Huhn" à la Clemens Wilmenrod.
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Flashback:


Gestern vor einem Jahr: Brasato al Barolo

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