Die Meisten werden die ikonische Szene aus dem ersten Star Wars-Film von 1977 (jetzt meist "Eine neue Hoffnung" genannt) kennen. Eine Handvoll Rebellen in X-Wings greift den mondgroßen Todesstern des Imperiums an, um diesen gegen alle Hoffnung zu zerstören. Dazu muss ein Torpedo genau in einen winzigen Luftschacht geschossen werden, der praktischerweise genau 80 km Kilometer lang schnurstracks von der Oberfläche zum Hauptreaktor im Kern führt. Unser Held Luke Skywalker schaltet in letzter Sekunde den Zielcomputer aus und lässt sich ganz von der "Macht" leiten. Er feuert blind und siehe da, das Geschoss fährt in die Öffnung, wie die geölte Hand in einen OP-Handschuh. So ähnlich ging es mir heute. Ich hatte den ganzen Tag schon das wahnsinnige Verlangen nach einer japanischen Misosuppe, aber keine Lust, groß Rezepte zu wälzen. Also habe ich meinen kulinarischen "Zielcomputer" deaktiviert, die Augen geschlossen und mich von meinen Gefühlen leiten lassen. Deshalb gibt es auch kein Zutatenfoto. Ich wusste am Anfang zwar wo ich hin wollte, aber das "Wie?" ergab sich erst während des Tuns.

Trotzdem hier zur besseren Übersicht eine Zutatenliste für drei Portionen:
- 1000 ml Dashi
- 4 Hähnchenunterkeulen
- 6 frische Shiitakepilze (optional)
- 300 g Tofu
- 1 EL getrocknete Wakame
- 1 Karotte
- 3 Eier
- 200 g trockene Ramennudeln
- 1,5 EL helle Misopaste
- 2 EL japanische Sojasauce
- Salz
Wakame ist eine essbare Braunalgenart. Man findet sie oft als Salat zum Sushi. Man bekommt diese Zutat in gut sortierten Supermärkten und natürlich im Asiamarkt.
Misopaste besteht aus fermentierten Sojabohnen und Getreide. Es gibt meist als "hell" und "dunkel", obwohl der Unterschied optisch nicht so groß ist, schmeckt die helle leichter und die dunkle kräftiger. Im Supermarkt und Asialaden gibt es beide Sorten. Ich mag die helle lieber für Suppen, die dunle eher bei Gebratenem.
Ich habe dann die Keulen eine dreiviertel Stunde im Dashi köcheln lassen. Wer die Suppe vegan möchte, lässt das Huhn weg und befolgt den Tipp unter dem nächsten Bild.
Japanische Suppen sind meist nicht vegetarisch, da sie auf Dashi beruhen und das enthält Katsoubishi, also Bonito (Thunfischart), die geräuchert, getrocknet und dann in hauchdünne Späne gehobelt wird. Man kann da mit getrockneten Shiitake als Ersatz arbeiten. Wenn man das tut - oder getrocknete Pilze zusätzlich an das Dashi gibt - kann man diese gleich in Streifen schneiden (Stiel entsorgen, die bleiben hart) und sich den nächsten Schritt sparen. Hier werden nämlich frische Shiitakescheiben kurz angebraten.

Den soft tofu schneiden wir in daumen-nagelgroße Würfel und braten ihn an, der silken tofu wird zur gleichen Größe verarbeitet, bleibt aber roh.
Wakame zehn Minuten in warmen Wasser einweichen.
Karotten schälen, stifteln parallel zum Wakame in Salzwasser ziehen lassen. Abgießen und gut abspülen. Dadurch wird das Wurzelgemüse auch ein wenig weich, ohne Garen zu müssen.
In der Zwischenzeit kochen wir schon mal die Nudeln, schrecken sie kalt ab und stellen sie beiseite. Sollte das später zusammenkleben, lassen sie sich einfach unter fließendem Wasser wieder von einander trennen.
Das Hühnerfleisch sollte inzwischen auch soweit abgekühlt sein, dass man es zerpflücken kann.
Kommen wir jetzt zurück zur Dashi-Hühnerbrühe. Die habe ich durch ein Tuch passiert, um Fett und alles Gegrissel zu entfernen. Nun gebe ich die Misopaste dazu. Damit die sich schön auflöst und ich nachher keinen Klumpen habe gebe ich sie in ein feines Sieb, tauche das in die Brühe und streiche die Paste mit einem Löffel durch die Maschen in die Flüssigkeit. Das hat meine Großmutter auch schon so gemacht, wenn sie abends von den Reisfeldern in Tokamchi, Präfektur Niigata nach Hause kam habe ich irgendwo mal gelesen.
Nudeln, Tofu, Karotte, Wakame, Shiitake und Huhn wandern nun in Suppenschüsseln.
Ich habe noch etwas Frühlingszwiebelgrün und ein wachsweich gekochtes Ei dazugegeben. Jetzt muss nur noch mit heißer Brühe aufgefüllt werden. In Japan isst man die Einlage meist mit Stäbchen und die Brühe mit einem Löffel. Also tauchen wir ein in dieses Meer an Geschmack. Es ist unglaublich, was da an Aromen, Texturen, Farben und Formen los ist. Es ist ein Feuerwerk auf der Zunge. Ja, die Bezeichnung umami wird mittlerweile inflationär benutzt und ist oft ein Synonym für den Versuch, durch Überwürzung den Eindruck der Komplexität zu erzeugen, aber hier sind es die puren Zutaten selbst, die zusammen wie Luke, Leia, Han Solo, Chewbacca und Yoda ein ganzes Imperium aus den Angeln heben können. Möge die Suppe mit euch sein. Nimm das, Todesstern!
____Flashback:
Heute vor zwei Jahren: Das total perfekte Dinner: Steffis Würstchengulasch
Im Moment bin ich etwas aggro, und beim Lesen steigerte sich das ein wenig. Bei einem anderen Kochblog hatte ich gerade auch schon kommentiert (wird definitiv nicht veröffentlicht, aber wenn's wenigstens die Autorin liest, reicht mir das). Bei deinem Beitrag kam aber noch rechtzeitig mein Verstand dazu, der rückfragte, ob ich da nicht was verwechsele. Die einfache Antwort: Ja. Du wirst zugeben müssen: Für eine Pho hälst du dich erstaunlich wenig an die Grundlagen dieser Suppe. Aber das - und darauf wies mich mein Hinterkopf rechtzeitig genug hin - ist ja auch keine Pho, sondern eine Miso ... Dafür sieht sie aber auch richtig gut aus. Und das quasi freihändig, nur übers Rückenmark. Super. Aber auch mit der Erkenntnis, ein wenig Aufwand lohnt sich immer für ein tolles Ergebnis.
AntwortenLöschenEine Pho ist ja auch etwas völlig anderes. Da habe ich auch Rezepte im Blog, zum Beispiel eins aus Hanoi und eins aus Ho-Chi-Minh-Stadt (Saigon). Aber die kommt ja auch aus Vietnam und nicht aus Japan.
LöschenSach ick ja. ;-)
LöschenMittlerweile solltest du doch mich ja auch doch gut genug kennen, um zu wissen, das Authenzität bei mir oberste Priorität hat und ich nie niemals nimmer nicht ein X für ein U verkaufen würde. ;)
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