Freitag, 7. April 2017

Gumbo Mumbo, Suppe und Sokrates


Ja, es sieht ein wenig aus, wie der Inhalt einer Dose "feine Brocken für ein glänzendes Fell", ist aber wahrscheinlich der leckerste Eintopf, den die (neue) Welt je gesehen hat: Gumbo, DAS Essen schlechthin in den kreolischen und Cajun-Gebieten der amerikanischen Südstaaten. Slow cooking at its best, wohlige Schärfe und ein Geschmack mit der Kraft eines ausgewachsenen Alligators. Letzterer landet hin und wieder auch mal im Gumbo. Die alte Weisheit "schmeckt wie Hühnchen" gilt hier aber nur bedingt. Ein Alligator nimmt schnell den Geschmack seiner Hauptnahrung an, deshalb wird allgemein geraten, Zuchtalligatoren zu essen, denn die werden mit Hühnchen gefüttert. Bei einem Wildtier weiß man dagegen nie, was es zuletzt gegessen hat. Und mal ganz ehrlich, wer möchte schon etwas essen, dass nach dem alten Higgins schmeckt, der letzte Woche in den Sümpfen verschwunden ist? Aber keine Angst, dies hier ist ganz ohne Reptil, dafür mit Huhn und Wurst.

Eben diese Wurst stellt uns wieder mal vor ein Problem. Benötigt wird eigentlich eine amerikanische Andouille, die außer dem Namen nichts mit der französischen, aus Innereien hergestellten Spezialität gemein hat. Leider ist die pikante Räucherwurst aus Schweinefleisch hier so gut wie nicht erhältlich und auch online schwer zu bekommen, also habe ich sie gegen eine gute grobe Bratwurst ersetzt, wohlwissend, dass so das rauchige Aroma leidet.


Für zwei Portionen:
  • 2 Hähnchenschenkel
  • 2 - 3 grobe Bratwürste
  • 100 ml Öl
  • 60 g Mehl
  • 1 kleine grüne Paprika
  • 1 mittlere Zwiebel
  • 2 Stängel Sellerie
  • 600 ml Geflügelfond
  • 2 EL Cajun-Gewürz
  • 2 Lorbeerblätter
  • 1 - 2 Frühlingszwiebeln
  • glatte Petersilie
Optional:

Hähnchenschenkel entbeinen und die Haut abziehen. Wurst in etwas Öl anbraten, dann Beides in mundgerechte Stücke schneiden.


Wie für Italiener Zwiebel, Sellerie und Möhre und in China Knoblauch, Ingwer und Frühlingszwiebel als "heilige Dreifaltigkeit" in der Küche gelten, sind für die cajun-people Sellerie, grüne Paprika und Zwiebel die kulinarische Trinität. 

Also schälen wir die Zwiebel und entkernen die Paprika. Diese werden dann mit dem Sellerie in sehr kleine Würfel geschnitten. Wir brauchen etwa je drei Esslöffel.


Neben der "Trinität" ist die roux das entscheidende Element des Gumbos. Hierbei handelt es sich um eine Mehlschwitze. Anders als bei uns kommt hier Öl statt Butter zum Einsatz. Das Ganze ist auch recht zeitaufwendig, denn, getreu des Mottos "ob blond, ob braun, ich liebe alle Frauen", muss die roux alle Stadien von weiß bis dunkelbraun durchlaufen und zwar ohne anzubrennen. Dabei muss ständig gerührt werden. Das ist wie ein Ritt auf der Rasierklinge. Bei zu viel Hitze dunkelt die Sauce zu schnell und es fehlt am Ende an Aroma. Ist der Topf nicht heiß genug, steht man stundenlang davor, bis sich etwas tut. Hier ist also Fingerspitzengefühl gefragt. Man sollte für diese Phase auch mindestens zwanzig Minuten einplanen, eine Zeit, in der man bedingungslos an den Topf gebunden ist. 

Oben sieht man das Anfangsstadium. Das Mehl ist gerade ins Öl gerührt worden und die Sache ist noch sehr blass. 


Hier haben wir schon eine schöne Karamellfarbe.


Vollmilchschokolade ...


.. und Zartbitter. So soll es aussehen. Haben sich schwarze Punkte gebildet, heißt es wegkippen, zurück auf Start, nicht über Los und keine 2.000 Euro einziehen.


Sellerie-, Zwiebel- und Paprikawürfel in die Sauce rühren. Das zischt schön und riecht gigantisch. Die Gemüse geben nun Feuchtigkeit ab, die die Sauce bindet. Zwei bis drei Minuten unter Rühren garen, ... 


... dann Wurststücke, 400 Milliliter vom Fond, Lorbeerblätter und Gewürze dazu geben. Eine Stunde auf kleinster Flamme köcheln lassen, hin und wieder umrühren. 

Dann das Huhn hinzufügen und eine weitere Stunde garen. Gelegentliches Rühren nicht vergessen und bei Bedarf Fond nachgießen. Kurz vor Ende gehackte Frühlingszwiebeln unterheben. Eine leichte, unerwünschte Bitterkeit, kann man durch eine Prise Zucker kaschieren.


Mit Petersilie, Cajun-Gewürz und nach Wunsch Hot Sauce servieren, am besten zu Reis. Ich bin schon ein ganzer Kerl und mein Fell glänzt tatsächlich. Wuff.


Dann gab es die Tage noch eine "Hochzeitssuppe". Das ist eine aufgebrezelte Hühnerbrühe mit Spargel, Blumenkohlröschen und kleinen, poschierten Hühnerfleischklößchen. Ein Rezept wird vielleicht irgendwann mal folgen.


Spargelcremesuppe - auch so eine Sache. Hier mag ich es pur. Spargel wird geschält und die Abschnitte in Salzwasser mit Zucker aufgekocht. Dieser Sud ist die Grundlage meiner Suppe und Brühe hat da, so meine ich, nichts zu suchen. Warum? Gehen wir das Ganze mal sokratisch durch. Platon lässt also in seinem Dialog "Asparagaceae" seinen berühmten Lehrer Sokrates mit Mágeiras, dem Koch des Phaidros, auf gewohnte Weise mäeutisch diskutieren.
Sokrates: Du behauptest also, Brühe füge der Spargelsuppe mehr Geschmack zu?
Mágeiras: Ja, denn Brühe ist geschmackvoll und ein vortreffliches Würzmittel.
Sokrates: Das stimmt, mein lieber Mágeiras. Aber trotzdem frage ich dich: Wonach soll Spargelsuppe denn schmecken?
Mágeiras: Nach Spargel.
Sokrates: Und was schmeckt, seinem Wesen nach spargelartiger, als der Spargel selbst?
Mágeiras: Nichts, so scheint mir.
Sokrates: Kann denn etwas anderes dem Geschmacke nach mehr nach Spargel schmecken, als Spargel selbst?
Mágeiras: Jetzt, wo du es sagt, oh weiser Sokrates, dünkt mir die Antwort nein.
Sokrates: Wenn nun Brühe, so wohltuend sie auch für Leib und Seele sein mag, aus einer Vielfalt von Geschmäckern besteht - Sellerie, Möhre, Zwiebel, vielleicht ein Stück Fleisch - was davon schmeckt denn wie Spargel?
Mágeiras: Nichts von alledem.
Sokrates: Also warum soll es denn an eine Spargelsuppe gegeben werden, wenn es den erwünschten Geschmack verfälscht, ja vielleicht sogar übertönt?
Mágeiras: Du hast Recht, oh weiser Sokrates, das ist unvernünftig. 
Sokrates: Und wenn das für Spargelsuppe recht ist, soll dies dann etwa nicht für Erbsen-, Karotten- Brokkoli-, Blumenkohl- oder andere Suppen aus nur einem Gemüse billig sein?
Mágeiras: Wahrlich! Brühe an allem scheint also nicht wirklich mehr hinzuzufügen, sondern den eigentlichen Geschmack zu überdecken. Es stimmt also, dass weniger manchmal mehr ist.
Sokrates: Gut. Wo bleibt nun meine Suppe? 

So, bevor sie mich abholen, noch etwas Gesundes: ein Erdbeer-Smoothie, den die Sous-Chefin gebastelt hat.

Interessanterweise ist auch unser Flashback philosophischer Natur ...
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Flashback:


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