In meinem Bestreben, euch authentische chinesische Gerichte jenseits von Schweinefleisch süß-sauer und knuspriger Ente mit Hong Kong-Sauce zu präsentieren, entdecke auch ich immer wieder Neuland für mich. Dieses Mal ist es die Küche der Yi (auch Yizú), einer der 56 in China anerkannten Nationalitäten. Die Yi gelten als die Ahnen der Tibeter. Einige von ihnen wanderten vor Jahrhunderten nach Thailand, Laos und so weiter aus. Dort werden sie oft Lolo gennant. In China bewohnen sie Teile der Provinzen Guangxi, Guizhou, Sichuan und eben auch Yunnan. Diese Gegend wurde durch sie jahrhundertelang beherrscht, bis die Han-Chinesen der Ming-Dynastie (1368 - 1644) das Kommando übernahmen. Interessanterweise kannten zum Besipiel die Nisu, eine in Eshan (Provinz Yunnan) beheimatete Untergruppe der Yi, das Verfahren der Metallverarbeitung nicht. Das erschwerte sicher die Kriegsführung, aber auch das Kochen, da ja Messerklingen meist aus Metall gefertigt sind. Stattdessen stampften die Nisu ihr Essen in großen Mörsern klein (und tun es auch heute noch), was auch den Namen des Gerichts erklärt: Chōng jī (舂鸡) oder "geklopftes Huhn" aus der Stadt Eshan in Yunnan.
Neuland ist für mich auch eins der hier verwendeten Gewürze. Die Rede ist vom Samen des Chinesischen Gewürz- oder Surenbaums (Toona sinensis), auch bekannt als Toona-Baum oder Chinesischer Mahagoni. Die jungen Blätter dieses Gewächses werden wie Gemüse verzehrt. Sie schmecken zwiebelig, was ihnen auch den englischen Namen beef and onion plant eingebracht hat. Ich brauche heute aber die Samen und laut Chinese Cooking Demystified (ein großartiger YT-Kanal und Quelle für authentisch chinesische Küche) ist dies das einzige chinesische Gericht mit diese Zutat. Ich vermute mal, das noch nicht viele vor mir in Deutschland mit dieser Saat gekocht haben. Sie schmeckt nussig, mit deutlichem Zwiebelaroma und einem Hauch schwefeliger Bitterkeit (nicht unangenehm). Da man diese Samen mit hundertprozentiger Sicherheit nur Online bekommen können wird und jetzt wieder viele sagen werden: "Ich bin raus, für einmal damit kochen, gebe ich dafür kein Geld aus" ein kleiner Tipp. Der oben erwähnte Kanal empfiehlt Dillsaat als Ersatz. Ich würde es mit einer Mischung aus getoasteten Pinienkernen, ein klein wenig Röstzwiebel (beides grob zerstoßen) und einer winzigen Prise Kala Namak (indisches Salz - gibt es auch schon im Supermarkt) versuchen. Ich übernehme keine Garantie, aber es sollte hinhauen. So, damit war es das denn auch heute mit Vorlesungen.
Zunächst brauchen wir gekochtes Huhn. Ich empfehle ein Suppenhuhn, denn Geflügel in China, insbesondere bei ländlicher Küche, ist meist freilaufend und dadurch im Fleisch viel fester, als unsere zarten Turbozucht-Poularden. Ich habe aber auch nur normale Hähnchenschenkel bekommen. Geschmacklich ändert das nicht viel, die Textur ist aber viel weicher. (jetzt habe ich schon wieder eine Vorlesung gehalten.) Das Huhn legen wir nun in einen Topf, geben ein paar Frühlingszwiebeln, Ingwerscheiben, einen Esslöffel Sichuanpfefferkörner und einen guten Schuss chinesischem Reiswein (Shaoxing) dazu,füllen mit kaltem Wasser und bringen das dann zum Kochen. Wir schöpfen den Schaum ab lassen alles eine Stunde sanft köcheln.
Das Fleisch brauchen wir für unser heutiges Gericht, die Brühe können wir zum Beispiel mit Wantans als Suppe servieren.
Wir haben hier:
- 750 g gekochte Hähnchenschenkel
- 1 g weiße Pfefferkörner
- 1,5 g Sichuanpfefferkörner
- 7,5g Toona-Samen
- 2 EL milde Chiliflocken (zumm Beispielkoreanisches Gochugaru)
- 1 rote Chilischote
- 1 grüne Chilischote
- 50 ml Öl
- 1/4 TL Salz
Optional (aber empfohlen):
- 1/2 TL Hühnerbouillonpulver
In China nimmt man geröstete Chiliflocken, also toaste ich mein Gochugaru noch einmal kurz trocken an.
Die Hälfte der Chiliflocken, Salz, weißen Pfeffer und Toona-Saat in einem Mörser zerstampfen. Alternativ mit einer Küchenmaschine nicht zu fein malen. In diesem Fall - oder wenn man keinen großen Steinmörser hat - in eine Metallschüssel umfüllen, denn jetzt ...
... wird das Öl stark erhitzt und über die Gewürze gegossen.
Chilischoten grob schneiden (auf Wunsch vorher entkernen), mit dem von den Knochen gelösten Huhn und - wenn verwendet - der gekörnten Brühe (in China sicher auch noch einer Prise MSG) in den Mörser geben und zerstampfen. Da die gekochte Hühnerhaut etwas widerspenstig ist, ziehen wir sie vorher ab und hacken sie klein, bevor wir sie zu andern Zutaten geben. Das Zerklopfen - aus der Not heraus geboren - hat einen entscheidenen Vorteil: es vereinigt die Aromen besonders gut.
Pikant und lecker - Hähnchensalat mal anders. Ich mag das so.
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Flashback:Heute vor einem Jahr: Sapa Sui
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