Donnerstag, 17. Oktober 2019

London 2019


Schwesterherz hatte ihrer Nichte, der Sous-Chefin, zur Konfirmation noch einen Kurztrip nach London versprochen. Da ich für einen Englischlehrer beschämende 25 Jahre nicht mehr in der britischen Hauptstadt war und die Gattin noch nie, klinkten wir uns mehr oder weniger kurzentschlossen ein und begleiteten die beiden auf ihrer Reise. Die Gelegenheit hätte auch günstiger nicht sein können, denn es sind ja gerade Herbstferien in Niedersachsen und NRW und wer weiß, wie die Sache nach dem Brexit aussieht, also wenn nicht jetzt, wantan wann dann?


Von Bremen nach Stansted in einer Boing 737-800. Über den Wolken mag die Freiheit wohl grenzenlos sein, allerdings nur, wenn man die Beinfreiheit ausdrücklich ausnimmt.


Nicht ganz der eigentlichen Chronologie der Reise entsprechend, aber immerhin ein guter Start in den Tag: reichhaltiges Frühstück (leider ohne Blackpudding). Sehr lecker und für £6.95 direkt am Trafalgar Square mit Blick auf die Nelson Säule auch nicht zu teuer. (Little Frankie's, London Whitehall)


Toast gehört natürlich auch dazu. Es gibt auch vegetarische und sogar vegane Angebote.


Auf den Spuren Harry Potters: King's Cross, Bahnsteig 9 ¾, alles einsteigen.


Die Winkelgasse aus Harry Potter heißt in Wirklichkeit "Leadenhall Market" ...


... und der Eingang zum "Tropfenden Kessel" aus dem "Stein der Weisen" ist in unserer Welt blau und beherbergt jetzt einen Optiker.


Harry Potter Butterscotch Beer. Ein kleiner Tipp an alle, die nicht wissen, wo man das herbekommt. Einfach ein paar Werthers Original mit Muh-Muh-Milchtoffees in Zuckerwasser auflösen und fertig ist das Getränk, dessen bloßer Anblick schon einen Zuckerschock auslösen kann.


Camden Market - hier kann man sich an kleinen Buden einmal um die ganze Welt essen. Auch wenn das hier bunt, schrill und alternativ-punkig herkommt, muss man auf die Preise achten. £15 für Fish & Chips to go in der Pappschale finde ich gewagt. 


"Andrew Lloyd Webber's School of Rock". Wenn jetzt noch "Disney's: Slayer - a Broadway Musical" und "Celine Dion's tribute to Motörhead" kommen, habe ich alles gesehen.


Dieses beruhigende Schild hing schon vor 25 Jahren im Fenster des Hardrock Cafes, London an der Picadilly Road.


Downing Street Number 10. In dem verschwommen wahrnehmbaren blaugrauen Haus mit dem Bobby davor wohnt er zur Zeit: Alexander Boris de Pfeffel Johnson.


Buckingham Palace, 12:20 Ortszeit. Schwerbewaffnete und irgendwie unentspannt wirkende Polizisten scheuchen die Besuchermassen energisch hinter die Absperrungen. Uns war klar, da liegt was in der Luft, zumal kurz davor schon ein massives Polizeiaufgebot rund um Westminster Abbey und The Houses of Parliament (der Turm mit Big Ben ist momentan leider völlig mit Gerüsten und Planen verdeckt) zu verzeichnen war. Auch der Weg zum Palast durch den St. James Park war zeitweilig gesperrt.

Die Tore zum Palasthof werden geöffnet und hinein fährt ... ein Lastwagen mit einem Stahlträger. Soll es das gewesen sein? Nein, denn die Tore bleiben offen und die Polizisten wirken nicht wirklich ruhiger. Punkt 12.30 kommt dann erst eine Motorradeskorte und danach tatsächlich der bordeauxfarbende Bentley mit Wappen und Standarte. Im Wagen: die Duchess of Cornwall, besser bekannt als Camilla und  - wirklich - die Königin von England, Queen Elizabeth höchstpersönlich - klein, mit ernster Mine aber würdig winkend. Keine fünf Meter von uns entfernt, zum Greifen nah.


Ich könnte mich in den Allerwertesten beißen, aber genau in diesem Moment hat die Kamera gestreikt. So habe ich nur das Heck des Begleitfahrzeugs erwischt. 


Von der Sous-Chefin kommt immerhin dieses Foto.


In der Vergrößerung kann man zumindest unten rechts den Blumenstrauß auf Camillas hellblauem Schoss sehen und ganz recht am Rand den grau bemäntelten Brustkorb ihrer Majestät erahnen. Besser als nichts. 


Hier noch ein Bild der edlen Karosse, nachdem der Fahrer die Queen samt Herzogin abgesetzt hat.

Wie wir später herausfanden, kamen die beiden tatsächlich aus Westminster Abbey, wo sie an einer Gedenkfeier anlässlich des 750sten Jahrestages des Wiederaufbaus der Abtei unter King Henry III teilnahmen.



Von "The Queen" zu "God Save The Queen". Carnaby Street, Soho. Vivian Westwood, Sex Pistols, Home of Punk - muss man mehr dazu sagen?


Dann natürlich Chinatown - das Tor in eine andere Welt. Nachdem ich mir hier vor 25 Jahren eine heftige Salmonelleninfektion zugezogen hatte, habe ich endlich wieder Frieden mit diesem Stadtteil geschlossen.


Mit einem Schlag hat man Europa verlassen (das war jetzt keine Brexit-Anspielung) und befindet sich in den Straßen Hongkongs.


Überall leckeres Essen.


Mann kann sich kaum entscheiden.


Da ich eigentlich pappsatt war, aber trotzdem nicht ohne etwas zu probieren hier weggehen wollte, habe ich mich für ein bisschen Char Siu für £10 auf die Hand entschieden. Keine falsche Entscheidung, sehr lecker, aber auch ein Fingerzeig an mich, dass ich mit meinen eigenen Versuchen goldrichtig liege.


Wie beendet man einen Tag in Großbritannien? Natürlich mit einem Besuch im örtlichen Pub. Unsere Unterkunft befand sich in East London, im Stadtteil Wapping, direkt an der Themse. Hier lassen sich ganz klar Zeichen der Gentrifizierung erkennen, dass heißt, reiche Investoren kaufen in traditionell eher ärmeren Gegenden Häuser und Wohnungen, renovieren diese, jagen die Mietpreise in die Höhe und vertreiben so die ursprünglichen Mieter. 

Man könnte noch viel mehr über Wapping erzählen, über die jüdische Geschichte des Stadtteils oder über die dortige bengalische Gemeinschaft - wir waren auch einmal recht gut indisch essen, leider ohne Fotos - aber für mich war hier etwas anderes von Interesse: Der "Captain Kidd"-Pub.


Als Kind habe ich nämlich einmal einen Jugendroman über den Freibeuter und Piraten William Kidd gelesen und fand die Geschichte sehr spannend. Eine Einschätzung, die auch Robert Luis Stevenson mit mir zu teilen schien, hat ihn das Leben des illustren Seeräubers, oder vielmehr seine vermeintlich versteckten Reichtümer zum Schreiben seines Jahrhundertromans "Die Schatzinsel" inspiriert. Der Captain fand 1701 an den Ufern der These, direkt hier am ehemaligen Execution Dock, sein Ende durch den Strick.

Hier befindet sich nun seit einiger Zeit "sein" Pub in einem alten Lagerhaus. Von der Straße unscheinbar, aber mit tollem Blick von der Terrasse auf die Themse.


Die meisten Pubs sind mittlerweile "Gastro-Pubs" mit recht ordentlicher Küche. Hier bekommt man zum Beispiel gut gemachte Fish & Chips, Burger und andere Leckereien, natürlich auch vegetarisches. Malt vinegar, Sauce Tartare und "mushy peas" dazu, was will man mehr? 


Knusprige Hülle, saftiger Fisch. Eine gute Portion für £16. Ich weiß, geschenkt ist das auch nicht, aber trotzdem in Großbritannien ein must eat.


Ich bin ja sonst kein Biertrinker - auch ein Satz, der hier öfter fällt - aber in einem Pub muss ein gutes Stout einfach sein. 


Zum Abschluss noch einmal der Blick über die mittlerweile erleuchtete Silhouette am Südufer. Brexit hin oder her, es wird diesmal keine 25 Jahre dauern, bis ich wieder da bin.
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Flashback:


Heute vor zwei Jahren: Sahniges Kalbsragout mit Gemüse

2 Kommentare:

  1. Hachja, wir wollten auch noch mal hin.
    Bis wieder Zeit ist, ist da wohl richtiges Ausland. Schade.
    Kennst du das Flat Iron? Diese Kette war bei unserem letzten Besuch der Geheimtip von einem befreundeten Gastronomen. Mir ist der Stress mit den ganzen besonderen Zuschnitten ja eigentlich zuwider, aber nachdem wir halt den Tipp bekommen hatten mussten wir dann doch auch hin. Hat sich sehr gelohnt. So sehr, das wir in einer Woche London zweimal da waren.
    Ansonsten hätte man beliebig lang von den frischen Fertigessen bei Marks & Spencer leben können. Schade das es die so auf dem Kontinent nur weit oben in Holland gibt.
    Wobei man in London auch nur von Essen aus Subway Stationen sehr lecker leben kann. Gegen die Cornish Pasties haben deutsche Bahnhöfe wenig ähnlich leckeres und vielfältiges aufzubieten.
    mfg
    godek

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    1. Hallo und danke für den lieben Kommentar. Ich hoffe, ich werde keine weiteren 25 Jahre brauchen, um wieder
      nach London zu kommen. Und es stimmt, man kann da kugelrund futtern. Das "Flat Iron" kenne ich nicht, merke ich mir aber mal fürs nächste Mal vor. Bei Marks & Spencer - allerdings in Edinburgh - habe ich 1997 einen Wok gekauft. Cornish Pasty habe ich übrigens auch im Blog ...
      Viele Grüße!

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