Montag, 21. Oktober 2019

Pho Ga (Phở Gà) - vietnamesische Nudelsuppe mit Huhn


Herbstzeit ist Suppenzeit und eine gute Hühnerbrühe kann für Leib und Seele Wunder tun. Ich bin natürlich ein absoluter Fan der klassisch europäischen Art: guter Flattermann, Wurzelgemüse, Piment und ein paar Kräuter, fertig ist der perfekte und darüber hinaus auch noch schmackhafte Erkältungskiller. Wer mich kennt weiß aber, dass ich immer wieder gerne über den (Suppen-)Tellerrand hinausschaue und großes Interesse an der Küche ferner Länder habe. Dabei komme ich immer wieder, zumindest mit dem Löffel im Kochtopf, in den fernen Osten zurück. China, Japan, Thailand - alle diese Länder haben auch großartige Suppen im Angebot, für mich ist aber ein Land herausragend, wenn es beim Thema Brühe um geschmackliche Komplexität geht: Vietnam und seine Phở .


Vor einiger Zeit habe ich mal eine Pho Bo (Nudelsuppe mit Rind) gemacht und die war geschmacklich so umwerfend, ganz so, als ob mich ein Laster überrollt hätte. Mit Huhn ist das natürlich etwas subtiler, trotzdem haben wir eine Menge an Aromen, die zwar alle kräftig sind, aber trotzdem in der Suppe als Teamplayer agieren. Ich weiß nicht, wie ich das beschreiben soll, ohne dass es doof klingt, aber das ist nicht irgendwie nur ein Haufen mit verschiedenen Dingen, sondern tatsächlich ein komplexes Gebilde aus verschiedenen Geschmacksebenen, ein multidimensionales Universum der Aromen ... das hört sich jetzt tatsächlich blöd an, oder?

Pho vom Imbiss
Aber wie komme ich gerade jetzt auf Pho? Da muss ich weiter ausholen. Wen das nicht interessiert, überspringt diesen Abschnitt, das Rezept folgt dann.

Am Wochenende fand bei uns in Hameln mal wieder das alljährliche "Autumn Moon Festival" statt. Die Gattin und die Sous-Chefin waren Freitag und Samstag da. Ich bin nicht so der große Gothic, Dark Wave, EBM oder Mittelaltermusik-Fan (für mich lieber Agnostic Front als Front 242), also blieb ich zu Hause. An Tagen wie diesen habe ich immer die freie Auswahl, was das Essen betrifft. Ich war aber auch zugegebenermaßen Freitag ein wenig faul und als man mir erzählte, es hätte am Hefehof (alte Hefe- und Spritwerke, nun eine Einkaufspassage) ein neuer asiatischer Imbiss eröffnet, stand mein Entschluss fest: das muss getestet werden. Chinesische, vietnamesische, japanische und indische Gerichte auf einer Karte lösen bei mir eigentlich einen Fluchtreflex aus. Das chinesische Stirfry mit Ente war dann auch ... na ja, reden wir nicht darüber. Das mache ich mit verbundenen Augen und einer Hand auf den Rücken befestigt besser. Gut war die vietnamesiche Nudelsuppe mit Huhn: Pho Ga. Gut, jetzt nicht im Sinne von genial, sondern eher von essbar. Immerhin hat mich die Suppe zum Zitronengrashuhn von vorgestern und meinem heutigen Essen inspiriert. Optisch lässt sich aber ein Unterschied erkennen, oder?


Für unsere Pho brauchen wir zunächst eine Brühe. Dafür werden ganz einfach Hühnerfleisch (mit Haut und Knochen) zusammen mit einer Zwiebel und etwas Ingwer gekocht, Um den Geschmack zu intensivieren, rösten wir die Zwiebel direkt auf dem Gasherd (oder einer schweren Pfanne, geht auch im Ofen unter dem Grill) an, bis die Schale schwarz wird.


Wir rösten ebenso ein Stück Ingwer an. 


Zwiebel und Ingwer gut abwaschen, verbrannte Schale entfernen und mit dem Huhn in einen Topf geben. Ich habe hier keinen ganzen Flattermann, sondern die Reste von gestern, wo ich nur Keulen und Flügel brauchte.

Das Wasser wird leicht gesalzen. Wenn vorrätig, geben wir noch ein Stück chinesischen Kandis (etwa zwei Zentimeter Kantenlänge) dazu. Wenn nicht, auch nicht schlimm, dann kommt die Süße später dazu.

Die Suppe wird nun aufgekocht und der graue Schaum abgeschöpft. Eineinhalb Stunden köcheln lassen, dabei nicht rühren, damit alles klar bleibt.

Huhn herausnehmen, in Eiswasser abschrecken. Ist es handwarm, lösen wir das Fleisch vom Knochen und stellen es beiseite.

Die Suppe wird durch ein feines Sieb gegossen und wieder erhitzt. 


Zum Aromatisieren braucht man eigentlich asiatische Schalotten. Die sind kleiner und runder als unsere. Wenn man die nicht hat, tun die normalen französischen auch ihren Dienst. Sie müssen vielleicht nur halbiert werden.

Desweiteren: 
  • kleines Stück Zimtrinde
  • zwei Sternanis
  • zwei Korianderwurzeln
In manchen Rezepten findet man statt Wurzel ein paar Korianderkörner. Geht auch, ist aber so wie bei mir authentischer. Nach Belieben können auch noch Nelken und ein Stück brauner Kardamom hinzugefügt werden. 


Gewürze - im Bedarfsfall auch die Koriandersaat, Nelken und Kardamom, trocken anrösten, bis es duftet.


Aromaten in die Suppe geben (geht auch mit Teesieb) und 30 Minuten minimal simmern lassen. Herausholen und entsorgen.

Hat man zu Beginn noch keinen Zucker zugefügt, jetzt einen halben Teelöffel braunen oder Palmzucker beigeben. Mit Salz und etwas Limettensaft abschmecken. Die Brühe hat jetzt schon genug Ooomph um dich aus den Puschen zu holen. Wahnsinn.


Nächste Geschmacksebene: Röstzwiebeln. Dazu wird tränentreibende Gewächs geschält, in feine Streifen geschnitten und in ausreichend Öl goldbraun gebraten.


Auf Küchenpapier entfetten und beiseite stellen. 


Keine Atempause, es geht weiter. Für vier Portionen brauchen wir außerdem:
  • 240 Gramm Reisnudeln (breit wäre gut)
  • 2 gute Handvoll Keimsprossen 

Hinten sehen wir die Röstzwiebeln und das ausgelöste Hühnerfleisch. Im Vordergrund mehr Dekoration:
  • grüne Frühlingsszwiebelteile
  • Limettenachtel
  • Hoisin Sauce
  • Sriracha
  • Koriander
  • rote Chili
  • Thai Basilikum (Horapa/sweet basil)

Keimsprossen blanchieren, dann abschrecken. Nudeln nach Packungsbeilage kochen. Anders als bei italienischer Pasta, wird diese Nudel sofort mit kaltem Wasser abgespült. Kleiner Tipp: dann noch mal mit warmen Wasser begießen, dann klebt das nicht sofort zusammen, falls die Nudel auf die Suppe warten muss.


Nudeln, Sprossen, Huhn und Koriander in eine Suppenschale geben, Brühe angießen und weitere Zutaten nach Wahl hinzufügen.


In Vietnam isst man das mit Löffel und Stäbchen. Hoisin oder Sriracha werden zum Dippen des Fleisches separat gereicht und scheinbar nur in Amerika direkt in die Suppe gekippt. 


Huhn, Zimt, Anis, Ingwer, Zwiebel, Koriander, Thai Basilikum - so viele Geschmacksebenen, dass es den europäischen Gaumen fast überfordert - dazu eine Fülle von verschiedenen Texturen, der absolute Wahnsinn. 
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Flashback:


Heute vor drei Jahren: Bagels mit Frischkäse und Lachs

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