Freitag, 5. Juli 2024

Huhn mit Bambus und Mu-Err - wie man zartes Fleisch wie im Restaurant hinbekommt


Ich habe das ja schon neulich erwähnt: Ich bin der festen Überzeugung, dass in den 80er/90ern das chinesische Essen in Restaurants irgendwie leckerer war. Ich habe hier besonders das Hühnerfleisch als wesentlich kleiner geschnitten und deutlich zarter, ja von fast luftiger Konsistenz in Erinnerung. Ich meine auch, es war eher weiß und nicht mit dunkler Sojasauce durchtränkt. Ich habe hier also einen Vorschlag, wie man das Hühnerfleisch so hinbekommt, wie ich es von früher zu kennen meine und das ganz ohne Zartmach-Pülverchen.


Mein erster Tipp - und ich sage das nicht zum ersten Mal - ist es, Keulenfleisch zu verwenden. Brust geht auch,tendiert aber dazu,trockener zu werden. 500 Gramm davon werden nach Entfernung von Knochen, Haut und überschüssigem Fett in zwei Zentimeter große Stücke geschnitten.


Marinade:
  • 1 EL helle chinesische Sojasauce 
  • 1 EL chinesischer Reiswein (Shaoxin)
  • Prise Salz
  • Prise weißer Pfeffer
  • 1 Eiweiß
  • 1 TL Speisestärke
  • 2 EL Öl

Alle Zutaten gut mit dem Fleisch vermischen,das Öl dabei zuletzt unterrühren. Dreißig Minuten marinieren lassen.


Kommen wir zu den Zutaten. Ich habe früher immer gerne "Huhn mit Bambus und chinesischen Morcheln" gegessen. Letztere sind Murr-Err, also Wolken-oder Judasohren-Pilze. Die bekommt man getrocknet, also müssen sie in Wasser eingeweicht werden. Eine Halbe Stunde sollte reichen


Mis en place - Oben:
  • Mur Err - ausgedrückt, in Streifen geschnitten, dabei die gnubbligen Stielansätze entfernen. 
  • Bambus - aus dem Glas
  • rote Paprika - in Streifen. Nur für das Auge und weil die Gattin immer Gemüse braucht
Unten:
  • Frühlingszwiebelteile grün - schräg geschnitten
  • Zwiebel - in Streifen geschnitten
  • Frühlingszweibelteile weiß - schräg geschnitten
  • 1 Knoblauchzehe - fein gehackt
  • 2 cm Ingwer - fein gehackt


  • Sauce:
  • 2 EL helle chinesische Sojasauce
  • 6 EL Wasser
  • 1 EL Zucker
  • 1,5 TL Stärke
Des Weiteren:
  • chinesischer Reiswein (Shaoxing)
  • Salz
  • weißer Pfeffer
  • Öl

Ein besonders in chinesischen Restaurants beliebte Vorgehensweise ist das "durch das Öl gehen lassen" (走油 = zǒu yóu, manchmal auch 过油 = guò yóu). Dabei wird das Fleisch ein ganz kurz - dreißig Sekunden reichen - in genug Öl schwimmend vorfrittiert, dann sofort as dem Wok genommen und gut abgetropft. Friitieren ist so eine Sache, deshalb gibt es unten einen Tipp, der schneller, einfacher, günstiger aber nicht weniger schmackhaft ist.


Öl bis auf zwei Esslöffel abgießen, Fleisch hinzugeben und bei hoher Temperatur kurz pfannenrühren. Mit einem Schuss Reiswein ablöschen, nochmals kurz durchschwenken, aus dem Wok nehmen und zur Seite stellen


Bei Bedarf noch etwas Öl in den Wok geben und die Aromaten - weiße Frühlingszwiebeln, Knoblauch, Ingwer und Zwiebel hinzufügen, dabei immer schön pfannenrühren.
  

Jetzt dürfen die Pilze dazu.


Dann der Bambus.Immer gut weiterrühren. Mit etwas Salz und weißem Pfeffer würzen, Etwas Reiswein hinzufügen und weiterrühren.


Paprika dazu und weitere dreißig Sekunden rühren.  


Fleisch dazugeben, Sauce angießen, rühren und fertig.


Mit grüner Frühlingszwiebeln garniert servieren.


So, ich weiß, dass sich viel vor dem Frittieren scheuen, sei es aus Angst vor heißem Öl, Kostengründen oder dem potentiellen Dreck, das diese Methode verursacht. "Durch das Öl gehen lassen" ist auch, wie gesagt, mehr so ein Restaurant-Ding und nichts, was Chinesen gewöhnlich zu Hause machen. Es gibt aber eine genial einfache Alternative, die so gut wie nichts kostet und auch nicht die Küche in Brand setzen kann. Hier kommt nun meine Suppe wieder ins Spiel. Das marinierte Fleisch wird hier nicht in Öl, sondern in kochendem Wasser für dreißig Sekunden blanchiert. Gut abgetropft kann es dann genau wie das "durchs Öl Gegangene" weiterverwendet werden. Die Methode heißt (焯水 = Chāo shuǐ), was mit "Blanchieren" übersetzt werden kann. 


Im Zentrum oben hier das blanchierte, darunter das vor-frittierte Stück, Ersteres ist von der Konsistenz her unglaublich zart, fast im Mund wie eine flauschige Wolke schmelzend. Mit geschlossenen Augen ist das, wie ich es von früher kenne. Das "durchs Öl gegangene" Stück direkt darunter ist von der Farbe her optisch ansprechender. Es ist auch unglaublich zart, wenn auch mit etwas mehr Biss.Das schadet der Sache aber nicht,denn geschmacklich liegt die Fettvariante ganz knapp vorne. Vielleicht aber auch nur, weil man das ohnehin  vorher vermutet hat. Ob das einem Blindtest standhalten würde, wage ich zu bezweifeln. Ich bin jedenfalls vollauf begeistert, mal wieder ein Stück Kindheit zurückgebracht zu haben. 
____
Flashback:



Heute vor einem Jahr: Karaage - Japanische Chicken Wings

8 Kommentare:

  1. In einem Jahr voller "gemischter" Ereignisse ist so ne Neigung zur Retropspektive nur folgerichtig..
    Schön, dass die Sous chefin ihr Abi gut rumgebracht hat. Hat sie schon Pläne? ( Aber das bedeutet natürlich auch,
    dass sie dann bald flügge wird - so isses halt...)
    Naja: wieder zum fachlichen:
    Beide " Retrogerichte" gefallen mir ausnehmend gut. Und die Geschichte mit dem durch das Wasser gehen
    lassen finde ich regelrecht elektrisierend. Kannte ich so nicht und das könnte genau mein Ding für so Huhn-
    gerichte sein. Ich bin nämlich tatsächlich kein Freund des Frittierens, aber das Fleisch sieht bombig aus, und ich muss das unbedingt mal mit der Methode probieren.
    Vom Grundprinzpt leuchet es mir jedenfalls absolut ein. Bin schon sehr gespannt..
    Das Eiweiß in der Marinade hat welchen Zweck?
    Und die Kombi aus Mu Err und Bambus mit ansonsten dezenter Würzung ist für meine Gosche eh ein
    absoluter Hochgenuss. 80-er halt. Those were the times...

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  2. Eiweiß und Stärke legen sich wie ein Mantel um das Fleisch und sorgen beim Garen für das samtige Mundgefühl. Auf Englisch heißt die Technik dementsprechend auf "velveting".

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  3. Du Fuchs ! Aber bitte sage jetzt, dass das ein neuer Trick ist und dass du das so in der Form noch nie erwähnt hast.
    Ansonsten müsste ich mir ja vorwerfen lassen, dass ich deine Rezepte nicht genauestens durchlese...
    Kann eigentlich schwerlich sein...

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    1. Wenn es dich beruhigt, schreibe ich gerne, dass das ein brandneuer vorher nie von mir verwendeter Trick ist. Wenn ich aber ehrlich sein soll, scheinst du aber sogar deine eigenen Kommentare nicht zu lesen, denn die Eiweiß-Geschichte haben wir bereits am 26.94.2024 mit fast identischem Wortlaut beim Rezept für "La Jiao Chao Rou - Schweinefleisch mit Chili aus dem Wok" besprochen. 😜

      https://wesfood.blogspot.com/2024/04/la-jiao-xiao-chao-rou-schweinefleisch.html

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    2. Oh fuck, du hast natürlich recht - ist ja auch dein Job.
      Aber meine Sinnkrise ist bodenlos - werde ich jetzt senil? sollte ich weniger Bier trinken?? oder was .?
      Zu meiner Rechtfertigung kann ich vielleicht noch anbringen, dass mir diese Blanchiermethode halt
      besonders attraktiv erschien und ich möglicherweise deswegen stabilere Synapsenverknüpfungen
      hergestellt habe. Aber das sind natürlich lahme Entschuldigungen....
      Beeindruckt bin ich allerdings tatsächlich davon, wie hervorragend du deine Kommentare abspeicherst.
      Ich wage mal die steile These, dass 98 % der Leute in nem Kollegium niemals die mündlichen Beiträge
      ihrer Eleven derart gründlich memorieren. Dafür zolle ich dir meinen Respekt.

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    3. Ich kann hier nicht nur die Blogstatistiken einsehen, sondern kann auch auf ein Kommentararchiv zurückgreifen.

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    4. Gestern habe ich mal Huhn nach Anleitung ( entbeint , ohne Haut - kommt alles in ne Brühe.. ) durchs
      Wasser gehen lassen. Die Methode gefällt mir gut, allerdings habe ich einen absolut idiotischen
      Volldepp-Anfänger- Stümperfehler gemacht, und das marinierte Fleisch zu spät aus dem Kühlschrank
      geholt und es quasi noch recht kalt ins sprudelnde Wasser getan.... oh boy - stupid!!
      Ratzfatz hat sich das runtergekühlt und das war's dann mit kochend heiß.
      Immerhin habe ich das in mehreren Chargen gemacht, was zwar auch nix groß geändert hat, aber
      das Ergebnis fand ich dennoch ok. Fleisch tatsächlich recht zart, aber halt schon mit nem Hauch
      von weichgekocht... das geht noch besser!
      Nächstes mal wird frühzeitig auf Raumtemperatur gebracht oder sogar im Backofen bissele vorgewärmt.
      Gekaut hat es sich dennoch gut und ich bleibe an dem Thema dran - wär doch gelacht - und werde das
      bestimmt auch mal mit Schweinefleich testen.
      Rind schließe ich aus folgenden Gründen mal aus:
      1. Ich denke, das verträgt diesen Hitzeschock nicht so gut..
      2. Rinder saufen bei der Aufzucht zu viel Wasser, brauchen zu viel Weideland, killen das Klima und sind
      in guter Qualität eh kaum zu finden bzw. bezahlbar. Die irren Unmengen an Trashfleisch von MC Donald -
      Burgern ist echt ein Menschheitsfluch, zumal ich davon ausgehe, dass man der Klientel auch fermentierte
      Autoreifen mit passender Würze vorsetzen könnte und die täten es lieben...
      3. Rindfleisch mag ich eigentlich nur schön lange in Rotwein und mit Gewürzen geschmort. Das ist schon
      sehr lecker, aber mit nem Steak lockt man mich nicht wirklich hinter dem Ofen hervor...



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    5. Schön, dass es geklappt hat, beziehungsweise, dass du den Weg nicht als völlig sinnfrei abtust. Zum Steak: zum Glück sind Geschmäcker verschieden. ;)

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