Mittwoch, 7. März 2018

Ragù alla Bolognese 2018


Bei meiner täglichen Kontrolle sämtlicher klassischer Rezepte im Internet, fiel es mir sofort auf: die Accademia della Cucina Italiana (Delegazione di Bologna) hat, ohne mich zu fragen, das bisher als tradizionale geltende Rezept für Bolognese umgeschrieben. Nicht nur, dass sie es jetzt ricetta originale nennen - nein, es sind auch zwei weitere Änderungen an der seit 1982 an der Industrie- und Handelskammer der Stadt Bologna hinterlegten Rezeptur vorgenommen worden, die auf den ersten Blick gar nicht mal so schlimm erscheinen, für mich aber trotzdem gravierend sind. Selbstverständlich musste ich das sofort probieren, um einen Vergleich zu haben. Das bisher gültige Rezept finden wir hier, es ist aber nun auch schon über vier Jahre her, dass ich diesen Eintrag verfasst habe. Die Unterschiede werde ich gleich erläutern. 


Das von der Accademia modernisierte Rezept für vier Portionen:
  • 300 g Rinderhackfleisch (nicht zu fein gewolft)
  • 150 g Pancetta (luftgetrocknet)
  • 50 g gelbe Möhre
  • 50 g Zwiebel
  • 50 g Selleriestängel
  • 1/2 Glas Rotwein
  • 400 g geschälte oder passierte Tomaten
  • Fleischbrühe
  • 1 Glas Milch
  • Salz
  • Pfeffer
  • Olivenöl/Butter
Optional:
  • Sahne
Sahne gibt man meist dazu, wenn man getrocknete Pasta verwendet. Bei frisch gemachter wird darauf verzichtet.

Nun zu den Unterschieden zum "alten" Rezept. Der erste ist, dass bisher Weißwein genommen wurde. Das erschient mir eigentlich auch logischer, da Bologna eigentlich kein Rotweingebiet ist.

Die zweite große Änderung sind die Tomaten. Hier kamen bisher nur ein Esslöffel Tomatenmark, beziehungsweise zwei bis drei Löffel passierte Tomaten zum Einsatz. Dafür dann mehr Brühe.

Ein Bekannter aus Bologna hat erzählt, dass Rezepte hin und wieder angepasst werden, um dem modernen Geschmack entgegenzukommen. Das Prinzip ist klar. Da ist eine Wiese zwischen zwei Straßen. Menschen nutzen diese Wiese als Abkürzung. Zunächst steht dann da ein Schild: "Rasen betreten verboten". Aber wie das so ist, nach nicht allzu langer Zeit, entsteht ein Trampelpfad über die Wiese. Und irgendwann erkennt man dann den Zustand an und asphaltiert den Pfad, gibt ihm einen Namen und eine neue Straße ist entstanden. Das nennt man "die normative Kraft des Faktischen". Das ist nicht von mir, sondern aus einem "Scheibenwischer" irgendwann in den 80ern. Stimmt aber so. Wenn nur genug Menschen ihr Ragù mit Rotwein und Tomaten kochen, knickt man irgendwann ein und nennt es den Normalfall. 


Was geblieben ist, ist der soffritto, das Herz eines jeden (nord-) italienischen Schmorgerichts. Möhre und Zwiebel schälen, mit der Pancetta und dem Sellerie sehr klein würfeln und in Butter und/oder Olivenöl anschmoren. Nicht rösten, wir wollen nur glasiges Gemüse, dass weich ist und eine natürliche Süße entwickelt hat. Das kann gut zwanzig bis dreißig Minuten dauern. 


So soll das in etwa aussehen.

Nur zur Information und um Verwirrungen zu vermeiden, ich habe die dreifache Menge des Rezepts angefertigt. Reste lassen sich gut Vorrat einfrieren und schmecken aufgewärmt immer besser. 


Mehr Olivenöl und/oder Butter in einem entsprechend großen Topf heiß werden lassen und das Hackfleisch darin krümelig anbraten. Hier sind Röstaromen durchaus erwünscht. 


Mit Rotwein ablöschen, leicht einkochen lassen.


Soffritto hinzufügen, Tomaten angießen und nur soviel Brühe dazu geben, dass alles leicht bedeckt ist. Noch nicht würzen, das muss alles noch zusammenkommen.


Und das dauert. Nach einer Stunden sanften Köchelns schmeckt das immer nocht nicht nach ihr oder ihm.


Nach zwei Stunden - hin und wieder nachschauen, dass nichts anbrennt und notfalls etwas Brühe nachgießen - kommen wir so langsam dahin, wo wir wollen. Die Aromen verbinden und der Geschmack entfaltet sich.

Man liest in Internetkochgruppen immer wieder: "Bei mir kocht die Bolo zwanzig Minuten und ist auch lecker." Da möchte ich immer schreiben: "Das ist dann aber keine Bolognese, sondern eine Tomatensauce mit Hackfleisch." Das ist in etwa so, als wolle man eine Rikscha mit einem Rolls Royce vergleichen. Fährt irgendwie beides, ist aber trotzdem längst nicht dasselbe. 


Nach zwei, zweineinhalb Stunden gießen wir die Milch und, wenn gewünscht, die Sahne an. So bekommen wir ein herrlich cremiges Ragù. Nun lassen wir alles noch ein weiteres halbes Stündchen köcheln. Dann schmecken wir mit Salz und Pfeffer ab. Je nach Süße der Tomaten kann eine Prise Zucker auch nicht schaden.


Ein saftiges Orange-Rot. So soll es aussehen. 


Muss man glaube ich nicht mehr erwähnen: Spaghetti Bolognese ist in Bologna unbekannt. Da isst man meist Tagliatelle zum Ragù, weil die breiten Nudeln die dicke Sauce besser aufnehmen. Auch hier gilt: die Sauce kann auf die Nudeln warten, aber nie umgekehrt. Sind die Nudeln gekocht, gießen wir sie ab und vermengen sie gleich mit etwas Sauce. So kann nichts kleben.


Ragù alla Bolognese mit Tagliatelle und etwas Parmesan, die "Update-Version". Unglaublich, wie zwei zunächst unwesentlich erscheinende Änderungen, zu einem fast komplett neuen Gericht führen. Sehr lecker, ohne Frage, aber ich glaube, ich bevorzuge die ältere Variante mit dem Weißwein und weniger Tomaten. Die ist irgendwie feiner. 
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Flashback:




Heute vor einem Jahr: Saltimbocca mit Gorgonzolafüllung

4 Kommentare:

  1. Moin. Und wieder gilt: Ein Gericht, Millionen Möglichkeiten..., selber kochen macht Spaß..., Grüße Peter

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    1. Aber auch Millionen Möglichkeiten, es sich mit den Leuten in Bologna zu verderben. Die haben nämlich eine klare Vorstellung von dem, was in ihr rein Ragù darf und was nicht. :p

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  2. Ui das sieht aber lecker aus! Das gibts bei uns bestimmt am Wochenende. Habe neulich eine Version mit Spätzle, Nürnberger Rostbratwürstchen und Senf nachgekocht, habe ich irgendwo im Internet gefunden. Top! Die Spätzle nehmen den Senf super auf und schmecken auch gar nicht nach Wurst!

    Aber mal ernsthaft: auch 2018 kommt da kein Deckel drauf nehme ich an?

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    1. Tofiffee wären noch gut. ;)

      Deckel drauf ist okay, dann aber mit der Temperatur etwas runter. Der Vorteil: bei einem gut sitzenden Deckel hat man nicht so viel Feuchtigkeitsverlzst und muss zwischendurch nichts angießen. Die letzte halbe Stunde - in etwa wenn ich die Milch angieße - würde ich es dann offen simmern lassen, damit es etwas einkocht.

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