Freitag, 13. Dezember 2019

Chop Suey vom Rind


Der sokratische Dialog bei Platon zeichnet sich dadurch aus, dass Sokrates seinen Gesprächspartnern (hier muss nicht gegendert werden, denn es waren nur Jungens) nicht etwa Lehrsätze dozierte, die sie zu lernen hatten, sondern sie erst einmal ihre Sicht der Dinge erläutern ließ. Dann stellte er gezielt Fragen, die den anderen dazu brachten, die eigene Position zu überdenken um dann selbst Schritt für Schritt die Wahrheit zu erkennen. Der Gedanke dahinter war, dass der "Geist" des Menschen, als Teil des nous, der Weltvernunft, die Wahrheit schon kennt, sie im stofflichen Körper jedoch vergessen hat. Mit den richtigen Fragen sollte man dieses verlorene Wissen im Menschen wieder aktivieren können. Lernen wäre somit also Wiedererinnern, auf altgriechisch anamnesis. Da das Wissen also aus dem Menschen hervorgeholt wird, wie das Baby bei der Geburt aus dem Mutterleib, nennt man die Art und Weise, solch lehrreichen Fragen zu stellen, auch Mäeutik, zu deutsch: Hebammenkunst. 

Was hat das nun mit Essen zu tun? Nun, tief in ihrem Innersten wissen die Gattin und die Sous-Chefin, worauf sie Hunger haben. Aber wenn man sie fragt, kommt oft nur ein "Weiß ich nicht". Da muss ich dann also mäeutisch vorgehen. Zunächst frage ich "Fleisch, Fisch oder vegetarisch?" Die Antwort war "Fleisch". Dann werden die spontan besorgbaren Möglichkeiten aufgezählt: Huhn, Pute, Rind, Kalb, Schwein, Lamm. Rind sollte es sein. Wir kommender Wahrheit also näher und fragen weiter. Kartoffeln, Reis oder Nudeln? Man war sich sicher: irgendwas mit Reis. Die finale Frage nach Messer und Gabel, Löffel oder Stäbchen führte dann zum Durchbruch. "Weißt du was?" sprach die Gattin. "Ich könnte mal wieder auf irgendwas Chinesisches mit Rind, Gemüse und Reis." Bingo. Es gibt also so eine Art Chop Suey mit Rind. Nicht authentisch chinesisch, sondern eher westliche Restaurantküche, aber besser als vom All-You-Can-Eat-Büffet in eurem lokalen Ming-Garten. Das garantiere ich. Im Übrigen: danke, Sokrates!


Ich habe hier 400 Gramm Roastbeef. Je nach Gemüsemenge und Beilage reicht das für drei Portionen. Das Fleisch wird mariniert, damit es zarter ist und mehr Geschmack bekommt. Das erstere ist in China extrem wichtig, weil dort - man staune - die Rindfleischqualität längst nicht so gut ist, wie bei uns. Das Fleisch wird meist recht schlachtfrisch verwendet und hängt kaum ab. Da ist es kein Wunder, dass die Chinesen mit ihren Marinaden Meister des "Zartmachens" sind, andererseits aber auch ein gewissen Maß an Beißwiderstand mögen. Auf jeden Fall wird frisches Fleisch, wenn es in mundgerechte Stücke geschnitten wurde, vor dem Marinieren oft erst gewaschen und ausgedrückt, bis kein Fleischsaft mehr das Wasser trübt. So soll der unerwünschte "Fleischgeruch" unterdrückt werden, den man später in der Marinade auch noch mit Reiswein bekämpft.

Den letzten Schritt kann man sich hier im Westen eigentlich sparen, das Marinieren jedoch nicht. Hier habe ich noch einen Trick, den ich mir bei meinem Lieblingskanal Chinese Cooking Demystified abgeschaut habe. Hier knetet man einen Schuss Wasser ins Fleisch, damit die Saftigkeit beim Braten erhalten bleibt.
  • 400 g Rindfleisch zum Kurzbraten
  • 2 EL Wasser
  • 2 TL dunkle chinesische Sojasauce 
  • 2 TL chinesischer Reiswein (Shaoxing)
  • 1/4 TL Zucker
  • 1,5 TL Speisestärke
  • 1 Eiweiß
  • Salz
  • weißer Pfeffer
  • 1 TL dunkles Sesamöl
Fleisch gegen die Faser in dünne Scheiben schneiden und mit dem Wasser verkneten. Restliche Marinadezutaten bis auf das Öl hinzufügen.


Alles wirklich gut und ohne Klümpchen vermengen. Nun noch das Öl unterheben und zwanzig, dreißig Minuten marinieren lassen.


Die Sauce ist auch Standard.
  • 1 TL dunkle chinesische Sojasauce
  • 1 EL helle chinesische Sojasauce
  • 6 EL chinesische Brühe
  • 1 EL Austernsauce
  • 1,5 TL Speisestärke
  • 1 TL Reisessig
  • 2 EL Zucker
Gut vermengen.


Unsere Aromaten, die "chinesische Dreifaltigkleit": 
  • gehackter Knoblauch 
  • gehackter Ingwer 
  • weiße Frühlingszwiebelteile, diagonal geschnitten

Als Gemüse:
  • Paprika
  • Möhre
  • Zwiebel
Alle Gemüse in gleichgroße, mund- oder stäbchengerechte Stücke geschnitten.


Auch an Bord, je eine Handvoll
  • frische Shiitakepilze (Tongku)
  • Mungobohnensprossen

Dann brauchen wir auch noch etwas Öl. Davon erhitzen wir etwa drei Kellen voll in einem Wok. Hier zeigt sich der Vorteil des gewölbten Boden. Für die gleiche Füllhöhe bräuchte man in einer normalen Pfanne deutlich mehr Fett. 


Beginnt das Öl zu rauchen, geben wir das Fleisch hinein und lassen es unter Rühren zehn bis höchstens zwanzig Sekunden im heißen Fett braten.  


Dann gießen wir alles in ein feines Sieb, dass wir über eine hitzebeständige Schüssel gehängt haben. Diese Technik nennt man "durchs Öl gehen lassen". Sie führt dazu, dass sich die Marinade bei richtiger Hitze schön samtig um das Fleisch legt. Wem das zuviel Arbeit macht, möge diesen Punkt überspringen. Man wird jedoch mit Einbußen die Textur und den Geschmack des Fleisches betreffend rechnen müssen.


Wir geben jetzt noch mal etwas von dem aufgefangenen Öl in den Wok. Fleisch hinzu, gut verteilen, bis zwanzig zählen, einen Schuss Reiswein seitlich dazu träufeln, durchschwenken und wieder zurück ins Sieb. ''Haben wir das Fleisch aus Bequemlichkeit vorher nicht durchs Öl gehen lassen, pfannenrühren (stirfry) wir es für eine Minute, bevor wir mit dem Wein ablöschen.


Aromaten bei mittlerer Hitze in etwas Öl anbraten, bis sie duften.


Dann geben wir die Gemüse in Etappen dazu. Zunächst die Möhren, die brauchen am längsten. Immer schön rühren, in etwa 20 Sekunden bei volle Hitze.

Man kann hier schon mal leicht salzen und noch eine Spur weißen Pfeffer hinzufügen.


Zwiebeln. 20 Sekunden rühren.


Pilze. 20 Sekunden rühren.


Paprika. 20 Sekunden rühren.


Sprossen. 20 Sekunden rühren.

Kleiner Tipp: Hier jetzt eine Prise Zucker und einen Schuss helle chinesische Sojasauce und man hat ein leckeres, vegetarisches Stirfry.


Wir wollen heute aber nichts vegetarisches (sonst manchmal gerne) und geben jetzt das Fleisch wieder zurück in den Wok.


Dann gießen wir die Sauce an und rühren, bis selbige andickt.


Klar, man kann jetzt die einzelnen Komponenten nun mit Stäbchen oder Pinzette dekorativ von links nach rechts, in die Mitte oder andersherum verschieben, aber dann ist es kalt und schmeckt nach Gulasch. Ich bin zufrieden, wie es ist, die Familie auch. Besser hätte es Sokrates auch nicht gekonnt ...  
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Flashback:


Heute vor einem Jahr: Eingelegter Ziegenkäse

4 Kommentare:

  1. Klasse...so ähnlich mach ich das auch..nur mit Hähnchen :)

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    1. Das ist ja das schöne daran, der modulare Aufbau. Gemüse ist beliebig austauschbar und das Fleisch natürlich auch. Im Kern ist nur die Gartechnik wichtig.

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  2. herrlich, abzüglich austernsoße. geschenkt!

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    1. Der fanatische Fischverweigerer wieder ... Geht auch ohne. Nimm "Schwarze Bohnen Paste" oder etwas mehr dunkle Sojasauce.

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