Montag, 18. Mai 2020

Let there be Wok - Rindfleisch mit Gemüse


Nach dem ganzen Gegrille der letzten Tage wurde der Ruf nach Abwechslung laut. Das ist zunächst einmal ein recht vages Verlangen und bedarf einer Konkretisierung, die manchmal nicht ganz einfach ist. Während einer Lagebesprechung äußerte man dann den Wunsch geäußert, mal wieder etwas Schönes aus dem Wok essen zu wollen, irgendwas mit Fleisch und Gemüse. Das sind Ansagen, mit denen ich arbeiten kann. Besonders, da immer etwas Fleisch im Haus ist und ich im Laufe der Zeit einen erklecklichen Vorrat an asiatischen Gewürzen und Saucen gelagert habe. So musste ich für das heutige Essen nicht mal das Haus verlassen.


Beim Protein muss ich nicht fragen, die Wahl fällt 99,9% der Fälle auf Rind. Als pflanzliches Beiwerk kommen die üblichen Verdächtigen zum Einsatz. Paprika, Shiitake, Karotten und Keimsprossen. Bei der Sauce ist die Sache auch schnell klar. Süß-sauer passte da nicht so, nach Schärfe war uns nicht, also bleibt im Grunde nur etwas mit dunkler Sojasauce und Austernsauce. Beides passt hervorragend zu Rind. Man könnte das Ganze dann mit Bratnudeln servieren, mir war aber heute mehr nach weißem Reis.


Für vier Portionen haben wir hier etwa 400 Gramm Hüftsteak vom Rind. Das schneiden wir in hauchdünne Scheiben und marinieren es. In China werden die Fleischstücke - egal welche Sorte - vorher meist noch mal so, lange unter Zugabe von Wasser geknetet, bis dieses klar bleibt und sich nicht mehr durch Myoglobin, also Fleischsaft, rötlich färbt. Dies geschieht, weil man in China den Geruch von rohem Fleisch und Fleischsaft abstoßend findet. Neben dem Zartmach-Effekt ein weiterer Grund auch, warum fast alles mariniert wird. Man muss dazu aber wissen, das Fleisch im Land der Mitte meist recht schlachtfrisch verwendet wird. Bei uns, wo es etwas abhängen und reifen darf, ist diese "Wäsche" eigentlich unnötig.


Die Marinade ist natürlich aus Gründen des Geschmacks und der bereits erwähnten Zartheit unerlässlich. Hierzu nehmen wir:
  • 1 EL dunkle chinesische Sojasauce
  • 1 El chinesischen Reiswein (Shaoxin)
  • 1 EL Speisestärke
  • Prise Salz
  • Prise weißer Pfeffer
  • 2 TL Sesamöl
Zutaten gut vermengen und mindestens zwanzig Minuten ziehen lassen. Das Sesamöl erst zum Ende des Marinervorgangs hinzufügen. 


So sieht dass dann aus.


Desweiteren:
  • 1 halbe Knolle chinesischer Ballenknoblauch (oder zwei normale Zehen)
  • 6 Frühlingszwiebeln
  • 1/2 kleine rote Paprika
  • 1/2 kleine grüne Paprika
  • 200 g Keimsprossen (Mungobohne)
  • 1 Handvoll frischer Shiitake (oder kleiner Champignons)
Die Zutaten, wie auf dem Bild zu sehen, vorbereiten. Frühlingszwiebeln in weiße und grüne Stücke teilen.

Statt frischer Shiitake kann man auch zwölf getrocknete nehmen, eine halbe Stunde in warmen Wasser einweichen und gut ausdrücken. Dann müssen wir allerdings die Stiele entfernen, weil die, einmal getrocknet, holzig bleiben.



Die Sauce:
  • 2 EL helle chinesische Sojasauce
  • 1 EL dunkle chinesische Sojasauce
  • 1 EL Austernsauce
  • 1 EL Zucker
  • 6 EL chinesische Brühe oder Wasser
  • 1 El Speisestärke
Ist keine Austernsauce gewünscht, kann man auch einen Esslöffel dunkle Sojasauce oder auch schwarze Bohnenpaste nehmen. Mit Hoisinsauce experimentieren wäre auch noch eine Option, der Geschmack wird dadurch aber anders.

Gut verrühren, Fertig. Damit hätten wir die meiste Arbeit hinter uns, denn in der chinesischen Küche nimmt das mise en place die meiste Zeit in Anspruch.



Das Drachenmaul ist aus dem Winterschlaf erwacht ... und muss mal dringend geschrubbt und eingeölt werden, um Rost am Gerät zu verhinden (ähem). Die Patina des Woks sieht auch angegriffen aus, aber das ist nach dem heutigen Woken wieder alles im grünen Bereich. Flamme an und 26 kW - genug, um ein großes Mehrfamilienhaus zu heizen - brüllen uns entgegen. Es klingt jedesmal wieder so, als ob ich hier geheime Raketentests durchführe.  


Ordentlich Öl in den Wok, rauchheiß werden lassen, durchschwenken und bis auf zwei Esslöffel wieder abgießen, am besten in einen wärmebeständigen Behälter. Das Öl kann immer wieder benutzt werden. Ich sage es immer wieder, das ist ein Grund, warum Chinasrestaurants in der Regel nicht vegetarisch und schon gar nicht vegan kochen. Im selben Öl, in dem gerade der Tofu brät, hat kurz davor noch die Ente gebadet.  


Fleisch hineingeben. Zuhause auf dem Haushaltsherd braten wir das in Etappen. Hier kann die ganze Chose auf einmal rein. Läuft der Wok unter Volldampf, geht die Temperatur kein bisschen in die Knie. Der weiße Rauch zeigt uns, die Temperatur ist richtig. Das ist wok-hei, der Atem des Woks.

Normalerweise beginnen wir sofort mit dem Pfannenrühren, wenn Zutaten ins Bratgerät kommen. Bei Rind lassen wir es kurz anrösten und rühren dann erst. Auf dem Haushaltsherd vielleicht eine Minute, hier gieße ich nach gut zwanzig Sekunden Gerühre einen Schuss Reiswein an - das kann sich entzünden, was noch mehr Geschmack gibt - schwenke noch einmal durch und nehme das Fleisch aus dem Wok.


Ist der Wok gut eingebrannt, kann es nahtlos weiter gehen. Wenn nicht, müssen wir angeklebte Reste erst entfernen. Dann geben wir wieder etwas Öl in den Wok und braten unsere Aromaten, Knoblauch un weiße Frühlingszwiebeln bei leichter Flamme kurz an, bis sie duften. Ingwer hätte auch gepasst, hatte ich aber nicht mehr. 


Nun erhöhen wir die Hitze wieder und geben das Gemüse Schritt für Schritt in den Wok, dabei beginnen wir mit den Möhren, denn die sind am härtesten und brauchen dementsprechend länger. Wir können hier auch schon vorsichtig mit je einer Prise Salz und weißem Pfeffer würzen.


Nach zwanzig Sekunden des Rührens - auf dem normalen Herd dementsprechend länger - kommen in dieser Reihenfolge Zwiebel, Pilze und Paprika dazu. Mit einem Schuss Reiswein ablöschen und die Sprossen unterheben, dazwischen immer schön - ihr ahnt es schon - mit dem Spatel pfannenrühren. 


Das Fleisch darf jetzt wieder zurück aufs Spielfeld. Die Sauce noch mal gut durchmischen, angießen und alles gründlich vermengen. 


Ein paar grüne Frühlingszwiebelteile untermischen und Wok vom Feuer nehmen.


Nach Wunsch auf eine Platte mit mehr grünem Zwiebellauch anrichten. Das reicht mit Reis, wie gesagt, für vier Portionen. Wenn man das aber, wie in China üblich zusammen mit anderen Gerichten reicht, hat man ein Festbankett. Ein Fest für den Gaumen ist es allemal und auch wenn es aus der "normalen" Küche schon wahnsinnig gut schmeckt, wok-hei gibt solchen Gerichten erst den echten Kick. Ich liebe es.
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Flashback:



Gestern vor zwei Jahren:Panierte Boandl - Rippchen im Knuspermantel

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