Samstag, 12. September 2015

Restaurant Specht in Egge bei Hameln


Vater wurde Mittwoch Siebzig und meine Eltern haben uns - Frau und Kind, Schwester und meine Schwiegereltern - deshalb heute zum Essen eingeladen. Siebzig! Wenn ich bedenke, wie mein Großvater in diesem Alter aussah, hat der alte Herr sich eigentlich gut gehalten. Trotzdem ist es mir immer wieder ein Spaß, ihm in der Öffentlichkeit auf den Rücken zu klopfen und laut und deutlich in sein Ohr zu rufen: "NE, VATTER! WIRD ALLES GUT, VATTER!" Das mache ich mit meiner Mutter auch gerne und die anderen Leute kucken dann immer so komisch.

Ähnlich wie vor ein paar Jahren im Supermarkt. Die Gattin, die Kleine und ich stehen in der Abteilung mit Putzmitteln, um uns herum nur Wolfspfotenträger und ich sage ganz laut zu meiner Familie "So, Vatti hat heute die Spendierhosen an, Mutti bekommt neue Spülhandschuhe!" Da bekommt man Blicke, nicht nur von der Gattin ...


Gegessen haben wir im Specht. Den gibt es schon länger als mich und meine Großeltern, so erzählt man mir, hätten dort bereits 1968 Silberhochzeit gefeiert. Ich bin das letzte Mal vor etwa fünf Jahren da gewesen und war sehr zufrieden. Komisch, das Landgasthaus liegt praktisch vor der Tür und trotzdem ist man da nie. Scheinbar verliert man vor lauter italienischer oder chinesischer Restaurants die gute, alte deutsche Küche aus den Augen. Oftmals ist das auch kein Verlust, hier ist es aber eigentlich schade.

Der Specht ist, wie gesagt, ein Landgasthaus mit Übernachtungsmöglichkeit. Dort gibt es deutsche Küche. Die Karte ist nicht groß, das ist aber an sich eher ein Qualitätsmerkmal. Es werden viele saisonale Gerichte geboten, jetzt natürlich mit Waldpilzen und Wild. Aber auch regionale Produkte finden Verwendung. So grenzt an den Gasthof eine Koppel mit wohl hauseigenem Wild an.

Der Maître, der - witzigerweise wie Schwiegereltern - den Namen des Restaurants trägt, ist "vom alten Schlag". Stets im Gastraum präsent und mit geschultem Auge für alles, treibt er gerne Konversation mit seinen Gästen, ohne dabei allzu aufdringlich zu erscheinen. Das Personal insgesamt ist sehr nett und aufmerksam. 


Vorweg ein kleiner Gruß aus der Küche: Karotten und Kohlrabisticks mit Schmand- und Erdnusscreme. 


Dazu frisches Brot. So etwas ist immer gern gesehen und überbrückt die Wartezeit, die bei frisch zubereiteten Speisen nun einmal unweigerlich anfällt.


Ich kann es gar nicht oft genug sagen - die klare Brühe ist der Benchmark, an dem sich eine Küche messen lassen muss. Hier kann man nichts kaschieren und der Gast bekommt entweder ein leckeres, von Grund auf selbst gemachtes Süpplein oder einen Haufen Chemie in einer Suppentasse. Suppen auf Würfel- oder Pulverbasis sind für mich, besonders in Restaurants, wo ich für das Essen bezahle, unverzeihlich. Diese Rinderkraftbrühe war sehr gut. Kräftiger "Körper", der charakteristische, aber nicht aufdringliche Geschmack von Rindermark, genau richtig gesalzen und mit feinen Omelettstreifen als Einlage - so etwas habe ich als Frittatensuppe selbst nicht wesentlich besser machen können.


Ich habe festgestellt, dass ich hier im Blog das Thema "Wild" noch gar nicht behandelt habe. Dabei mag ich es eigentlich ganz gerne. Mein Hauptgericht: Hirschsteak in Rotweinsauce mit Pilzen. Dazu etwas Birne und Preiselbeere.


Die Beilagen: knusprige Bratkartoffeln, gut abgeschmeckte grüne Bohnen und leckerer Brokkoli, der allerdings eine Spur zu weich war. 

Die Gattin, die Kleine, Schwiegermutter und Mutter hatten Schweinefiletmedaillons mit Pfifferlingen in Rahmsauce - dazu Kroketten oder Bratkartoffeln - und waren auch zufrieden. Meine Schwester bestellte Lachsfilet in Dillrahmsauce mit Kartoffelgratin. Der Fisch war super saftig und nicht überkocht, das Gratin dauphinois perfekt und, handwerklich völlig richtig ohne Käse. Da versteht jemand das Handwerk.

Schwiegervater entschied sich für geschmorte Rehkeule, keine falsche Entscheidung, so wie er verlauten ließ. Das Fleisch war butterzart und konnte mit dem Löffel gegessen werden. Der Jubilar nutze die Gelegenheit, rosa gebratene Lammfilets zu essen. Auch er lobte das Essen in höchsten Tönen


Ich hatte den Hirsch medium rare bestellt, das war er dann aber eindeutig nicht. Selbst der Begriff "medium" wäre hier nur äußerst wohlwollend zu verwenden. Da das Fleisch aber super zart und aromatisch war - und das allein zählt - will ich großzügig sein. Viel Geschmack für unter zwanzig Euro, was will man mehr. Daumen hoch für den Specht.

Die Kleine hat das Hirschsteak übrigens auch probiert und war sehr angetan. Es steht zu vermuten, dass ich mich demnächst einmal selbst dem Rot- oder Damwild zuwende. 
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Flashback:



Gestern vor einem Jahr: Überbackenes Baguette mit Birne und Gorgonzola

2 Kommentare:

  1. das sieht doch nach einem lohnenden restaurant besuch aus. der grund warum du dort trotzdem nie dahin gehst, wenn vaddern nicht gerade 70 wird ist, dass du selbst nicht schlechter kochst, also was sollst du da?

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    1. Ich würde da schon öfter hingehen. Ich habe nur noch genug auf der To-Do-Liste bis 2090.

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