Freitag, 9. August 2019

Cochinita pibil Yucateca - pullen wie die Mayas


Ich weiß nicht, wann es bei hier begann, aber irgendwann vor gut zehn Jahren schwappte dieser Trend aus den USA zu uns hinüber und quasi über Nacht wurden, wie bei einer Zombie-Apokalypse, ehrliche "Holzkohle-Griller" zu BBQlern. Grills verwandelten sich in "Sportgeräte" im Wert eines mittleren Kleinwagens, Temperaturen im, am und um das Gargut wurden genauer erfasst, als die ISS die Erdumlaufbahn je messen könnte und der Zubereitung eines simplen Steaks kam vielerorts mehr wissenschaftliche Bedeutung zu, als Durchbrüchen in der Quantenmechanik. Natürlich führte das auch zu Auswüchsen und absurd wurde es spätestens, als das Braten einer spiralförmig geschnittenen Knoblauchwurst für vermutlich 99 Cent auf einem dieser sündhaft teuren BBQ-Monster quasi zum viralen Hit wurde. Pulled Pork ist auch so ein Ding. Vor Jahren mal "der heiße Scheiß", heute eher ein Zeichen für "inspirationslos und gefangen in der Zeitschleife" - in Punkto Altbackenheit sozusagen die "Spargel-Schinkenrolle" für den Grill. 

Aber Moment mal, was redet der alte Mann denn da? Sieht das auf den Bildern nicht auch irgendwie pulled aus? Ja, das tut es, hat aber einen anderen Hintergrund. Wir haben hier ein klassisches Gericht, das von den Mayas stammt, einem indigenen Volk, welches in Mittel-, beziehungsweise Mesoamerika bereits 3000 Jahre vor unserer Zeitrechnung Kulturen bildete. 

 

Cochinita Pibil ist ein Klassiker der mexikanischen Halbinsel Yucatán, die auch eine Hochburg der Maya-Kultur war. Übersetzt heißt das Gericht eigentlich "gegrilltes Spanferkel" und wie praktisch von der Karibik bis nach Polynesien üblich, grub man traditionell Löcher in den Boden, legte ganze Tiere - vorzüglich Schweine - in Bananenblätter gewickelt mit heißen Kohlen hinein, schaufelte Erde darauf und grub das Fleisch, wenn es nach ein paar Stunden gar war, wieder aus und hatte leckeres Essen.

Nun hatte ich die Schaufel schon in der Hand, aber irgendwie war die Gattin nicht so von meinem Vorhaben überzeugt, also habe ich eine Variante gemacht, die sich im Ofen herstellen lässt - al horno, sozusagen. Das macht man heutzutage in mexikanischen Haushalten außerhalb des Urwalds auch so und ich habe mir einige Rezepte angesehen, um dieses hier heute präsentieren zu können.


Wir nehmen natürlich kein ganzes Schwein, sondern ein schön durchwachsenes Stück vom Borstenvieh. Dies hier sind etwa 1,5 Kilogramm Nackenbraten ohne Knochen.


Gewürze:
  • 2 Nelken
  • 1 EL Kreuzkümmel
  • 1/2 Zimtstange
  • 1 EL mexikanisches Oregano
  • 8 Pimentkörner
  • 1/2 TL schwarzer Pfeffer
Ich musste bei dem Rezept zweimal tricksen. Das erste Mal hier beim Oregano. Da habe ich nämlich nur normalen bekommen. Das mexikanische hat aber angeblich eine Geschmackskomponente, die in Richtung Thymian oder Bohnenkraut geht, also habe ich ein Viertel durch eben diese Kräuter ersetzt.


Dann brauchen wir Achiote. Das ist der Samen eines Strauches, der, wenn gemahlen, für eine orange-rote Farbe sorgt. Käsefreunden ist es bestimmt schon als das farbgebende Element von Cheddar begegnet. Aufmerksame Leser des Blogs kennen es auch unter dem Namen Annatto als Zutat meiner kubanischen Gewürzmischung Sazón, die im leckeren  kubanischen Hühnchenreis Anwendung findet.

Achiote gibt es auch als Pulver oder Paste. Ich mahle mir die Körner selbst und brauche etwa zwei Esslöffel. Alternativ nimmt man einen Teelöffel Kurkuma oder ein paar Safranfäden.


Dann haben wir hier noch das Viertel einer großen Metzgerzwiebel (oder eine kleine) und eine halbe Knolle Knoblauch.


Fürderhin brauchen wir Flüssigkeit und zwar mit ordentlich Säure. In Mexiko nimmt man Bitterorangensaft. Hier muss ich wieder tricksen, denn auch der wächst bei uns nicht auf Bäumen. Eine gute Alternative ist:
  • 4 Teile Grapefruitsaft
  • 2 Teile Limettensaft
  • 1 Teil Orangensaft
  • 1 Teil Zitronensaft
Wir brauchen insgesamt etwas 500 Milliliter, das meiste davon aber erst später.


Gewürze fein mahlen und zwei Teelöffeln Salz, Zwiebel, Knoblauch und 120 Milliliter "Bitterorangensaft" zu einer dicklichen Paste verarbeiten. Fertig ist die Marinade.


Einen  Bräten mit Bananenblättern auslegen. Wenn man die vorher kurz über eine heiße Herdplate oder Gasflamme gleiten lässt, kann man sie besser falten.

Bringen die Blätter geschmacklich etwas? Ja, nein ... jein ... weiß nich ... doch, so ein leichte Tee-Note - egal, auf jeden Fall sieht es cool aus.


Das Fleisch haben wir nun auch schon mal längs in große Streifen geschnitten


Mit der Marinade eingerieben, dürfen die Teile nun im Bananenblattbett Platz nehmen. 


Mit Mehr Blättern abdecken, Bräter fest verschließen und Fleisch über Nacht marinieren lassen.

Am nächsten Tag gießen wir an den Rändern vorsichtig 300 MIlliliter Wasser an und geben das dann abegdeckt bei etwa 175° C für dreieinhalb Stunden in den Ofen. Zwischendurch mal checken, ob Flüssigkeit nachgegossen werden muss. 


Wer bis hierhin die für Mexiko so typische Schärfe vermisst hat, kommt nun zum Zug. Wir machen jetzt nämlich die Beilagen.
  • 2 rote Zwiebeln
  • 1 Habanero
  • 1 TL Salz
  • 80 ml "Bitterorangensaft"  
Rote Zwiebeln schälen, zusammen mit der Habanero fein hacken. Wer ist nicht so scharf mag - Habaneros sind höllisch - entfernt vorher die Kerne der Chili. Mit Salz würzen, Saft angießen und fertig ist unser Relish.


Für das zweite Topping:
  • 2 rote Zwiebeln
  • 1 TL mexikanisches Oregano (siehe oben)
  • 1 TL Salz
  • 300 ml "Bitterorangensaft"
Zwiebeln pellen, in sehr dünne Scheiben schneiden, in einem Sieb mit kochendem Wasser überbrühen, abtropfen und mit den restlichen Zutaten vermischen. Kurz stehen lassen und wir haben pickled onions.


Maistortillas brauchen wir auch und da haben mich bisher immer schwer getan. Wichtig ist, dass man nicht normales Maismehl nimmt, sondern spezielles masa harina. Das ist nämlich aus Mais gemacht, der vorher auf spezielle Weise gekocht wurde (Nixtamalsiation) und dadurch bessere Backeigenschaften hat und auch für den menschlichen Körper vorteilhafter ist.

Mein Problem war bisher, dass ich bisher scheinbar zu wenig Flüssigkeit verwendet habe. Zwei Teile Mehl zu einem Teil Wasser mag bei Weizentortillas perfekt sein, bei Maismehl, ist es eher 1:1. Das ganze wird mit etwas Salz zu einem weichen Teig verknetet, der kaum klebt und in etwa die Konsistenz von weichem Fensterkitt hat. Abgedeckt darf das dann eine halbe Stunde ruhen.



Golfball große Kugeln formen und zwischen Folie mit eine Topf platt drücken. Wenn man natürlich eine Tortillapresse herumliegen hat, nimmt man die.


Fladen vorsichtig in eine heiße Eisenpfanne ohne Fett geben. Nach vierzig Sekunden Wenden. Eine Minute auf der anderen Seite garen, dann noch mal zwanzig Sekunden pro Seite. Im Idealfall blasen die Fladen sich wie ein Ballon auf, denn man etwas Druck auf die Oberseite ausübt. Kann man hier ansatzweise sehen und wird auch für ein noch folgendes Rezept wichtig sein.   


Fladen in saubere Geschirrhandtücher gewickelt warmhalten.


Da kommt der Pot aus dem Ofen, der Deckel kommt runter und der Duft erschlägt mich. Leider so sehr, dass das Bild, auf dem man das fertige Fleisch unter dem Bananenblattdeckel sieht, völlig erwackelt und unscharf ist. 


Deshalb erst das fertig Fleisch, schon schön zerpflückt, in einer Schüssel. Die beim Garen entstandene Flüssigkeit wird natürlich auch mit untergehoben. Ist davon zu wenig im Topf, hilft ein Schuss "Bitterorangensaft" nach.


Wer es mild mag, fügt dem Fleisch Salat, Tomaten, Gurke, Avacado oder was auch immer beliebt hinzu.


Ich bleibe beim Original mit Habanero-Zwiebel-Relish und pickeld onions. Das ist unglaublich, das explodiert geschmacklich geradezu im Mund. Schärfe, Säure, leichte Süße durch die Zwiebeln und dann dieses butterzarte, aromatische Fleisch. Pulled Pork war gestern und ruft heutzutage Gähnattacken hervor. Cochinita pibilI hingegen war schon vorgestern, wird aber morgen immer noch sein. Und übermorgen. Warum? Weil es keine Modeerscheinung ist, sondern in einer Kultur traditionell gewachsen und fest verankert ist, die schon existierte, als man hierzulande die Dinosaurier noch mit bloßen Händen jagte.

Geht zartes Schweinefleisch besser? Schwerlich, aber mal abwarten. Stillstand ist Rückschritt.
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Flashback:


10 Kommentare:

  1. Perfectamente auténtica receta. 👌🏼

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  2. Großes Kino, schmecke ich durch den Bildschirm.

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    1. Ja, das war eins meiner besseren Großprojekte. Könnte ich auch mal wieder drauf.

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  3. Wahnsinnig gut! Hab in wenigen Restaurants ein so gutes Cochinita Pibil gegessen wie dieses und koche es nun schon zum 7. mal nach :) Danke!

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  4. Richtig gutes Rezept! Ich hab mexikanische Verwandtschaft, und das wird genauso gekocht! Noch Tipps: achiote gibts als paste im mexikanischen Versandhandel, und tiefgefrorene Maistortillas auch. Erspart arbeit und schmeckt mindestens genauso gut.

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    1. Guter Tipp. Ich nehme das selbst gemahlene Pulver.auch nur, weil ich die Samen auch für asiatische Gerichte brauche.

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  5. Vielen Dank für das tolle Rezept. Ich werde es am kommenden Wochenende ausprobieren und habe sogar mexikanischen Oregano und bitteren Orangensaft bekommen. Ist es richtig, dass ich lediglich zwei Esslöffel der Achiotepaste für ca. 1,5 kg Fleisch benötige?

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    1. Erst einmal vielen Dank. Ja, das stimmt. Das Zeug färbt wie Hulle.

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