Sonntag, 12. Juli 2020

Gong Bao Ji Ding (Kung Pao-Huhn) 2020


Wenn es ein Gericht gibt, von dem ich regelrecht besessen bin, dann ist es 宫保鸡丁oder Gōng Bǎo Jī Dīng. Seit dreißig Jahren stehe ich nun schon als Hobbykoch fast täglich hinter dem Herd und Kung Pao, wie es eingedeutscht heißt, hat mich die ganze Zeit über begleitet und wird mich auch, wenn alles gut geht, die nächsten dreißig Jahre begleiten. Das erste Rezept, dem ich folgte, war aus Yan-kit Sos fantastischen Kochbuch "Chinesische Küche". Das war super lecker und zum ersten Mal hatte ich beim chinesisch Kochen zu Hause das Gefühl, etwas auf dem Teller zu haben, das nicht nur toll aussah, sondern auch in einem Restaurant hätte serviert werden können. Das Ergebnis kann man übrigens hier nachlesen. Trotzdem wurde mir irgendwann klar, dass auch Yan-kit So ihr Rezept deutlich an den westlichen Gaumen angepasst hatte, besonders die Chilimenge betreffend. 


Im Laufe der Jahre - auch durch das aufkommende Internet - wurde es dann immer einfacher auch an Originalrezepte heranzukommen. Gerade die Küche Sichuans hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten rasant ansteigender Beliebtheit erfreut. Unschätzbar nützliche Bücher, wie zum Beispiel Sichuan - Land of Plenty (auch als Sichuan Cookery erschienen) helfen, auch hierzulande authentisch zu kochen. Über das Internet hat man aber auch die Möglichkeit, Zutaten auftreiben zu können, von denen man damals nur träumen konnte. Wo sollte man denn auch im Deutschland der 1980er/90er Jahre Er Jing Tiao-Chili aus Sichuan herbekommen? 


Die Geschichte des Gong Bao Ji Ding habe ich schon mal erzählt und auch dieses Rezept ist nicht neu. Es ist nur so, dass die alten Beiträge damals kaum einer gelesen hat und sie leider dem Orkus des Vergessens anheim fallen. Dieses Gericht ist mir aber so wichtig, dass ich es gerne immer mal wieder in Erinnerung bringen möchte. Deshalb hier noch einmal ein historischer Exkurs. 丁宝桢 (Dīng Bǎozhēn - 1820–1886) war während der Qing-Dynastie Gouverneur von Sichuan, Tutor des Kronprinzen und dem Titel nach "Wächter des Palasts", also ein Taizi Shaobao (太子少保). Daraus wurde, in Verbindung mit seinem Familiennamen "Ding", der Spitzname Ding Gongbao. Angeblich soll er dieses Gericht geliebt, vielleicht sogar erfunden haben, jedenfalls ist es nach ihm benannt worden. Während der Kulturrevolution unter Mao wurde der Name, der die Kommunisten zu sehr an die alte Kaiserzeit erinnerte, wertneutral in Hú Là Jī Dīng (糊辣鸡丁), also "scharfes Huhn" umbenannt. Mittlerweile ist man aber zum alten Namen zurückgekehrt.


Im Vergleich zum letzten Gong Bao-Rezept von 2015 habe ich eine kleine Änderung vorgenommen. Der Sauce wurde keine scharfe Chilipaste hinzugefügt. Die ist nämlich scheinbar in der ursprünglichen Sichuanvariante nicht vorgesehen, taucht dafür aber besonders in einer wesentlich schärferen, lokalen Version aus der Nachbarprovinz Guizhou auf. Darum werde ich mich aber auch noch mal kümmern.

Hier haben wir nun 
  • 350 g Hähnchenbrust
Marinade: 
  • 2 TL helle chinesische Sojasuce
  • 2 TL chinesischer Reiswein (Shaoxin)
  • 1 TL Kartoffel- oder Maisstärke
  • Prise Salz
  • Prise weißer Pfeffer
  • 1 TL Sesamöl 
Für die Sauce:
  • 100 ml chinesische Hühnerbrühe
  • 1 EL dunkle chinesische Sojasauce
  • 2 TL dunkler chinesischer Essig (Chinkiang)
  • 2 TL Zucker 
  • 1,5 EL Kartoffel- oder Maisstärke 
Ansonsten:
  • 80 g getrocknete Chili (siehe unten)
  • 1,5 TL Sichuanpfefferbeeren
  • 10 cm junger, daumendicker Lauch
  • 5 EL ungeröstete Erdnüsse
  • 2 Knoblauchzehen
  • 4 cm Ingwer
  • Schuss Reiswein
  • Öl
Fleisch in kleine, gleichmäßige Würfel schneiden und mit den Marinadezutaten vermengen. Eine halbe Stunde ziehen lassen. 

Lauch in fingerdicke Stücke schneiden. Im Idealfall sind Lauch- und Hühnerstücke gleichgroß.

Knoblauch und Ingwer schälen, dann in Scheiben schneiden. 

Chilischoten mit der Schere halbieren und die Kerne entfernen. 


Wok rauch-heiß werden lassen und zwei Kellen Öl hinzufügen. Wir kontrollieren die Temperatur mit unserem chinesischen Thermometer. Dafür halten wir ein hölzernes Essstäbchen in das Fett und wenn kleine Blasen beginnen am Holz aufsteigen, ist die Temperatur richtig. Nun dürfen die Erdnüsse ins Ölbad. Es dauert nicht lange und sie sind gold-gelb frittiert. Herausnehmen und beiseite stellen.


Der nächste Schritt ist optional, aber da wir gerade ohnehin einen Wok mit heißem Öl haben, sollten wir ihn nicht auslassen: 锅油 (Guō Yóu). Das heißt wir lassen das Hühnerfleisch jetzt ein paar Sekunden lang "durchs heiße Öl gehen". Das sorgt dafür, die marinierte Außenseite des Huhns schneller gart und das Ganze so saftiger bleibt.


Durch ein Sieb abgießen. Das Öl kann wieder verwendet werden. Wundert euch also nicht, dass die vegetarische "Fastenspeise der Buddhisten" im Restaurant so wahnsinnig aromatisch schmeckt. Das liegt an der Ente, die vorher im selben Fett frittiert wurde.


Zwei Esslöffel Öl wieder stark erhitzen, Fleisch eine halbe Minute pfannenrühren. Dann einen Schuss Reiswein am Rand einträufeln lassen, durchschwenken und das Huhn wieder ins Sieb geben.


Erneut etwas Öl erhitzen und Chili mit dem Sichuanpfeffer anrösten, bis es duftet, aber natürlich nichts verbrannt ist.


Knoblauch und Ingwer kurz mit durchschwenken.


Lauch hinzufügen. Einmal durchrühren.


Das Huhn darf nun auch zurück. Dabei halten wir den Wokinhalt konstant in Bewegung. 


Jetzt noch die Sauce angießen und die Erdnüsse hinzufügen. Es sollte nun nichts mehr schwimmen, das aber Huhn schön samtig ummantelt sein. Fertig, es darf serviert werden. 


Ich verrate ist ja kein Staatsgeheimnis, wenn ich erwähne, dass man in China im Allgemeinen mit Stäbchen isst. Damit pickt man sich die Hühnerstücke, Gemüse und Erdnüsse heraus und lässt die Chili meist liegen. Sie dienen zur Aromatisierung und werden eigentlich nicht mitgegessen. 

Für Geeks ist jetzt noch die Frage entscheidend, welchem der 23 Geschmacksprofile Sichuans dieses Gericht angehört. Obwohl es sowohl Sichuanpfeffer und Chili enthält, wird es traditionell nicht zum Má Là-Profil (麻辣味型 - betäubend-scharf) gezählt. Oft rechnet man es der Hú Là-Gruppe (楜辣味型- geröstet-scharf) zu, aber ich habe es, dank Essig und Zucker, auch schon als Lìzhī Wèi Xíng (荔枝味型 - Lychee-Geschmack) eingeordnet gesehen. Letzteres ist auch eine interessante Eigenheit der Küche Sichuans. Ein Essen mit "Lychee-Geschmack" muss die Frucht nicht zwangsläufig enthalten. Eine süß-saure Note genügt, um es als solches zu klassifizieren. Genau wie "Fischduft-Auberginen" nichts mit Fisch an sich zu tun hat, aber eine ähnliche Würzung enthält, wie Gerichte mit unseren flossigen Freunden.


Hier noch mal ein schön samtig-saftiger Bissen Hühnerfleisch. Zart und aromatisch.


Nicht unerwähnt bleiben soll ein rotes Thai-Curry, das ich nebenbei als Alternative zum Gong Bao im Angebot hatte.


Als Nachtisch: Woon Mamuang (วุ้นมะม่วง) aus Thailand. Mango-Kokosmilchgelee mit Agar-Agar. Saulecker, optisch noch nicht ganz perfekt, aber ein Rezept wird demnächst mal kommen.
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Flashback:



Heute vor vier Jahren: Schweden 2016: Wir Smögen es!

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