Ich habe lang kein richtig gutes Baguette mehr gegessen. Mindestens ebenso lange habe ich nicht wirklich selbst Brot gebacken. Nun habe ich seit einiger Zeit ja einen Backofen mit Dampffunktion und habe seitdem ein wenige mit Baguette experimentiert. Das ist eine Wissenschaft für sich und zeigt einmal mehr, dass Backen keine intuitive Kunst wie Kochen ist, sondern pure Wissenschaft. Mengenverhältnisse der Zutaten, Knetdauer, Gehzeiten, Gärtemperaturen, Luftfeuchtigkeit, Luftdruck, Sonnenstand, Mondphasen und die Aktivität der Sonnenflecken müssen berücksichtigt werden, will man das perfekte Brot auf den Tisch bringen. Als Franzose bekommt man dieses Fähigkeiten natürlich in die Wiege gelegt, wir hingegen müssen uns die Fertigkeit gutes Baguette zu backen mühsam aneignen, so wie alle Nicht-Mozarts das Klavierspielen.
Im Netz gibt es zahlreiche Baguetterezepte. Manche versprechen auch ohne Kneten auszukommen. Das mag durchaus zu leckeren Ergebnissen führen, aber sicher nicht zu der bei Baguettes gewünschten Konsistenz. Hier ist es wichtig, durch richtiges Walgen und Falten den Teig in die ohne viel Gewalt in die richtige Form zu bringen, die er dann auch freiwillig beibehält. Darauf gehe ich später noch mal genauer ein.
Das Rezept hier braucht ein gewisses maß an Timing. Der Teig reift insgesamt 48 Stunden, also muss ich am Freitag anfangen, wenn ich das Brot am Sonntag servieren möchte. Zunächst setzen wir einen Vorteig an. Dazu nehmen wir:
- 500 g Mehl
- 300 g Wasser
- 7 g Salz
- 5 g frische Hefe
Im Idealfall haben wir französisches T65-Mehl. Das ist für Baguettes perfekt. Unser "backstarkes" 550er tut es aber auch.
Zutaten einfach vermengen, bis eine homogene Masse entshet und 24 Stunden abgeeckt im Kühlschrank reifen lassen.
Zutaten einfach vermengen, bis eine homogene Masse entshet und 24 Stunden abgeeckt im Kühlschrank reifen lassen.
Für den Hauptteig:
- 500 g Mehl (T65 oder 550er)
- 300 g Wasser
- 10 g Salz
- 10 g frische Hefe
- Vorteig
Diese Zutaten werden nun ordentlich geknetet, bis ein weicher, geschmeidiger Teig ensteht, der nicht reißt, wenn man ihn lang zieht. Das dauert mit den Händen, je nach Krafteinsatz, um die zwanzig Minuten. Diese Zeit sollte man sich nehmen. Auch sollte man der Versuchung widerstehen, an diesem Punkt weiteres Mehl hinzuzufügen. Alternativ nimmt man ein starke Küchenmaschine, die auch Dauerbetrieb aushält. Hier sollten zehn Minuten auf niedriger Stufe mit dem Knethaken ausreichen.
So sieht das dann aus, bevor es für weitere 24 Stunden abgedeckt in die Kühlung kommt.
Wir können sehen, dass der Teig trotz 5 °C Kühlschrankkälte gut aufgegangen ist, die Hefe aber wohl noch genug Triebkraft für den Ofen hat.
Ich bin weitgehend einem Rezept von Patrick Ryan gefolgt. Der ist natürlich Profi. bei ihm sieht das alles so leicht aus und man denkt sich: "Ha, das kann ich doch wohl auch". Dann versucht man das nachzumachen und stellt fest, das Backen doch eben nicht ohne Grund ein Lehrberuf ist. Aber immerhin ist Ryans Knettechnik auch von einem ungeduldigen Grobmotoriker wie mir replizierbar. Zunächst teilt er den Teig in sechs Stücke von je rund 250 Gramm. Nächstes Mal werde ich es mit vier Stücken à 400 Gramm probieren.
Wenn versuchen, wir die Teigstücke jetzt sofort in Baguetteform zu bringen, würde sich die Teigrolle immer wieder zusammenziehen. Im Ofen geht das Ganze dann eher flach in die Breite, anstatt in die Höhe. Das hat etwas mit der Teigstruktur zu tun. Wir müssen das Klebereiweiß so verändern, das ein stabiles "Gitter" entsteht, das dem Teig Struktur gibt. Zwischendurch braucht das Gluten in der Masse aber immer wieder Zeit, sich auszuruhen und zu entspannen.
Wenn versuchen, wir die Teigstücke jetzt sofort in Baguetteform zu bringen, würde sich die Teigrolle immer wieder zusammenziehen. Im Ofen geht das Ganze dann eher flach in die Breite, anstatt in die Höhe. Das hat etwas mit der Teigstruktur zu tun. Wir müssen das Klebereiweiß so verändern, das ein stabiles "Gitter" entsteht, das dem Teig Struktur gibt. Zwischendurch braucht das Gluten in der Masse aber immer wieder Zeit, sich auszuruhen und zu entspannen.
Wir nehmen uns eine Teigkugel und legen sie auf eine bemehlte Oberfläche. Dann ziehen wir die Seiten etwas lang, so das grob eine Rautenform entsteht.
Die langgezogenen Seiten werden nun eingeklappt und wir haben ein Art Quadrat vor uns liegen.
Das wird nun von uns Weg aufgerollt.
Nun haben wir eine längliche, zylinderartigen Rohling: die Ausgangsform für das Baguette. Der Teig ist un durch Falten und Aufrollen so strukturiert, dass er diese Grundform ohne Murren einhält. Mit den anderen Teigballen verfahren wir genauso.
So darf das Ganze nun zehn, besser fünf Minuten ruhen, bis sich der aufgedrehte Teig etwas entspannt hat.
So darf das Ganze nun zehn, besser fünf Minuten ruhen, bis sich der aufgedrehte Teig etwas entspannt hat.
Dann wird der Zylinder mit bemehlten Handballen wieder flach zum Rechteck gedrückt und erneut von uns weg aufgerollt.
Dann kann er endlich mit den Handballen von der Mitte zu den Seiten hin ausgerollt werden. Dies sollte nun recht einfach gehen, ohne dass der Teig wieder zurück in die andere Richtung will. Die Teigenden kann man dann spitz zulaufend formen.
La couche - so nennt de Franzose das Leinentuch, in dem die geformten Rohlinge dann ruhen (coucher - schlafen legen) dürfen. Zwischen den Stücken wird das bemehlte Tuch hochgezogen, damit nicht alle Baguettes zu einem zusammenwachsen. Abgedeckt eine Stunde gehen lassen.
Dann vorsichtig auf ein Blech befördern und mit einem scharfen Messer, besser einer Rasierklinge, einschneiden. Traditionell vier mal und dies eher längs als quer.
In den Ofen bei 250° C Ober- und Unterhitze, dabei die ersten zehn Minuten ordentlich schwaden. Hat man keinen Dampfofen, stellt man beim Aufheizen eine Metallschüssel auf den Boden des Ofens und gießt, sobald die Baguettes im Backgerät sind, eine Schuss kochendes Wasser hinein. Alternativ sprüht man mit der (düngerfreien) Blumenspritze Wasser in den Innenraum.
Nach zehn Minuten Dampf abschalten, Tür kurz öffnen (Gegebenenfalls Wasserschüssel entfernen) und dann weiterbacken, bis die Kruste goldbraun ist. Insgesamt beträgt die Backzeit rund zwanzig Minuten, man sollte aber die letzten zehn Minuten ein Auge drauf haben.
Et voilà!
Dünne, rösche Kruste und luftig, wattige Krume, jedoch mit viel Geschmack, denn der teig durfte ja 48 reifen. Der hält aber auch 72 Stunden aus, man kann ihn auch problemlos einfrieren.
Nicht quer, sondern längs aufgeschnitten. Wenn man genau hinschaut, erkennt, man, dass die Struktur des Teigs so anders aussieht als im Bild darüber. Das ist wie bei Fleisch, das mit oder gegen die Faser geschnitten wird.
Wenn ich bedenke, dass der Teig sehr gut vorzubereiten ist, dann kalt direkt aus dem Kühlschrank verwendet wird, es nur etwa eineinhalb Stunden braucht, bis das Brot schließlich auf dem Tisch liegt und ich während der Gehzeit auch andere Dinge machen kann, bezweifele ich, das schneller vom Bäcker zu bekommen. Da muss ich ja erst hinfahren und dann auch noch einen von den immer weniger werdenden Guten finden, die nicht nur Fertigmischungen vom Großhandel zusammenkippen, sondern noch von Grund auf ehrliche HANDwerkskunst vollführen. Versteht mich nicht falsch. Gerade in Krisenzeiten unterstütze ich gerne gute Handwerksbetrieb in der Region. Aber die Betonung liegt auf "gut". Wenn bei zehn verschiedenen Bäckern die Brötchenauswahl haargenau gleich aussieht, muss man kein Schelm sein, um zu vermuten, dass hier dieselben Backmischungen vom Großhandel verbacken werden. Da hilft es auch nicht, den Kunden zu belehren: "Weltmeisterbrötchen hamm wer nich. Die heißen bei uns Fitnessbrötchen". Ja, vielen Dank. Das macht den 0815-Teigling aber auch nicht besser. Aber was rege ich mich auf? Da backe ich lieber noch ein paar Baguettes.
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Flashback:
Gestern vor einem Jahr: Schweden 2019
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