Freitag, 11. April 2014

Durchleuchtet ...


Die kleine Tochter sieht der Mutter zu, wie diese einen Braten für den Ofen vorbereitet. Die Mutter nimmt ein schweres Küchenbeil und hackt beide Endstücke des Bratens ab, bevor sie diesen auf das Backblech legt. "Warum machst du das, Mama?" fragt die Kleine. 

"Weil deine Oma, also meine Mama, das auch immer so gemacht hat", antwortet die Mutter, beginnt jetzt aber selbst darüber nachzudenken. Schließlich ruft sie ihre Mutter an und fragt: "Warum schneidest du eigentlich immer die Enden des Bratens ab, bevor du ihn auf das Backblech legst?" 

"Weil deine Großmutter das auch immer so gemacht hat", lautet die Antwort. Nach diesem Telefonat beginnt sich aber auch Oma zu wundern und das nächste Mal, als sie ihre Mutter - also Ur-Großmutter - im Pflegeheim besucht, fragt sie: "Warum hast du eigentlich immer die Enden des Bratens abgeschnitten, bevor du ihn auf das Backblech gelegt hast?" Und die Ur-Großmutter antwortet: "Weil mein Backblech zu klein war".

Diese amüsante Geschichte kann natürlich auch ganz im Sinne des Gender-Mainstreamings mit männlichen Personen erzählt werden - der Grund, warum ich sie hier zum Besten gebe ist aber folgender: als Kind lernt man vieles, indem man die Handlungen Älterer, zumeist der Eltern, imitiert. Das ist auch völlig in Ordnung. Auch später versuchen wir immer wieder, unser Wissen von der Welt empirisch - also durch Beobachtung und Erfahrung - zu begründen. Das kann aber dazu führen, dass wir Ursache und Wirkung verwechseln, beziehungsweise Dinge einfach übernehmen, ohne wirklich zu wissen warum. Das nun bald stattfindende Osterfest ist ein gutes Beispiel. Wer unter den Eiersuchenden weiß denn wirklich, was da gefeiert wird? Und selbst säkular betrachtet - wer merkt denn schon, dass der Osterhase in den meisten Darstellungen in Wirklichkeit ein Kaninchen und kein richtiger Hase ist? Dabei ist das in etwa so, als wenn der Weihnachtsmann in Wirklichkeit ein Schimpanse wäre. 

Was hat das nun alles mit Kochen und Essen zu tun? Sehr viel sogar. Auch hier wird unheimlich viel dummes Zeugs munter von Generation zu Generation weitergegeben - sogar von Profiköchen.

Dass Fleisch keine Poren hat, die sich beim Braten "verschließen" können, weiß mittlerweile wohl ein jeder. Auch die Mär, dass sich Fleischsäfte durch scharfes Anbraten im Fleisch "einschließen" lassen ist hinlänglich widerlegt worden - trotzdem hört man diese Aussagen immer wieder, sogar von Profis. Richtig ist stattdessen, dass beim "scharfen Anbraten" die schon mehrfach erwähnte Maillard-Reaktion stattfindet.

Wie oft liest man: "Das Mehl durch ein Sieb geben". Klassisches Beispiel. Quizfrage: "Welchen Einfluss auf das Backverhalten hat es, wenn man das Mehl vorher fein durchsiebt?" - Antwort: "Keinen, in Buchstaben A-B-S-O-L-U-T  K-E-I-N-E-N. Worher kommt die Mär? In früheren Zeiten, bevor Mehl industriell erzeugt wurde und bevor gewisse Hygienestandards galten, konnte es sein, dass sich Mäuse, Ratten oder Schlimmeres in der Mühle herumtrieben. Um unliebsame Überraschungen im Backwerk zu vermeiden, siebte man früher das Mehl fein durch - ein Arbeitsschritt, den man sich heutzutage getrost ersparen kann.


Eierkochen ist zu Ostern ein Stichwort. Es heißt, man solle Eier kalt abschrecken, damit man sie besser pellen kann. Quatsch. Man schreckt Eier allerhöchstens ab, um den Garprozess zu unterbrechen - so bleiben weichgekochte Eier wirklich weich. Mit der Schale hat das nichts zu tun. Die Pellbarkeit hängt mit dem Alter zusammen. Ganz frische Eier lassen sich kaum pellen, vier bis fünf Tage später ist dies kein Problem mehr. 

Und es gibt noch viel, viel mehr zu durchleuchten.

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