Sonntag, 9. Dezember 2018

Wiener Saftgulasch nach Sacher Art


Ich hatte es es ja bereits gestern erwähnt: es ist Schmorzeit. Das nutzen wir auch aus, bis die Töpfe glühen. In diesem Zuge kann ich nun vielleicht eine Scharte auswetzen, die meine bis dato tadellose Karriere als Hobbykoch seit einiger Zeit überschattet und schon Gegenstand von Hollywood-Blockbustern, Roman-Zyklen und einer Debatte im UN-Sicherheitsrat war. Die Rede ist von meinem letzten Saftgulasch. Da habe ich nämlich in einem Anflug geistiger Umnachtung Sahne und Paprikastückchen hinzugefügt. Prompt brach die Hölle los und ich wurde in die österreichische Botschaft zitiert. Nur Freunden aus "gewissen höheren" Kreisen - die natürlich nicht genant werden wollen - ist es zu verdanken, dass mein Fall nicht in Den Haag verhandelt wurde. Heute wage ich es und mache also wieder ein Wiener Saftgulasch. Entweder schaffe ich es, mich zu rehabilitieren oder ich reite mich tiefer hinein ins Verderben und dann kann ich für nichts mehr garantieren. 

Die Herkunft des Gulaschs betreffend habe ich schon mal versucht, die einzelnen Stränge auseinander zu dröseln, deshalb spare ich mir das hier. Fakt ist aber, dass der Österreicher es geschafft hat, aus einem einfachen ungarischen Hirtengericht eine Wissenschaft, ja eine Religion für sich zu erschaffen. Hat der Magyare beim Schafehüten vermutlich alles in seinen Kessel geworfen, was ihm so über den Weg lief, trennt der Alpenländler das Gericht akribisch je nach Hauptzutat, zum Beispiel in Rinds-, Kalbs-, Schwammerl-, Erdäpfel- oder Murmeltier-Maracuja-Gulasch. Und wehe, man vermischt die Sachen und kombiniert Rindfleisch mit Pilzen. Wer das macht, wird nämlich mit Hans Moser-Filmen nicht unter 72 Stunden am Stück bestraft und verliert auch bei der Bank mit sofortiger Wirkung jede Kreditwürdikeit. In den USA sprechen die Schüler zu Beginn des Schultages gemeinsam den Pledge of Alligiance, den Treueschwur auf Flagge und Nation. In Österreich müssen die Kinder jeden Morgen zum Gulasch-Gelöbnis in der Aula erscheinen und schwören, niemals Sahne in ein Saftgulasch zu geben. Es geht sogar soweit, das Bürger aus nicht-EU-Staaten bei der Einreise bestätigen müssen, dass sie nicht vorhaben, auf österreichischem Boden ein Gulasch mit Erbsen zu kochen, sonst wird ihnen das Visum verweigert.


Gulasch kocht man am besten in großen Mengen, denn es schmeckt besser, je öfter es aufgewärmt wird. Idealerweise nimmt man Fleisch aus der Hesse/Wade (Wadschinken), ich habe aber nur Oberkeule am Stück bekommen. Das ist magerer, braucht auch nicht so lange und wird zarter. 
  • 1 kg Rindfleisch zum Schmoren
  • 750 g Zwiebeln (mit Zwiebelschalen etwa ein Kilo)
  • 2 TL Weißweinessig mit 20 ml Wasser verrührt
  • 50 g Paprika edelsüß
  • 1 TL Kümmel, gemahlen
  • 2 TL Majoran
  • 2 Knoblauchzehen
  • 2 EL Tomatenmark
  • Rinderbrühe oder Wasser
  • Salz
  • Pfeffer
  • Schweine- oder Butterschmalz

Die Zwiebel schälen und fein hacken. Auf ein Kilo Fleisch brauchen wir etwa 750 Gramm davon. In Schmalz gut anschwitzen, dabei immer mal schön rühren. Die Zwiebeln sollen goldgelb werden, nicht schwarzbraun.


Nun paprizieren wir. Das ist weder etwas Unanständiges noch brauchen wir dafür ein Diplom als Ballettänzer. Es ist nur eine vornehme Bezeichnung für das Würzen mit Paprikapulver. Das wird nun also unter die Zwiebeln gehoben und kurz mitangeschwitzt, bis es duftet. Nicht zu lange, sonst verbrennt es und wird bitter.


Mit dem Essigwasser ablöschen ...


... und die anderen Gewürze, etwas Salz und Pfeffer, sowie das Tomatenmark hinzufügen.


In der Zwischenzeit das Fleisch in drei bis vier Zentimeter große Würfel schneiden und einlegen. Im Gegensatz zu vielen anderen Rezepten, brät Herr Sacher das Fleisch nicht an. Das hat er mir auch noch mal telefonisch bestätigt.

Nun gießen wir so viel Wasser oder Rinderbrühe an, bis das Fleisch gerade bedeckt ist. Es darf dann, nicht ganz abgedeckt, auf kleinster Flamme köcheln. Ist die Flüssigkeit reduziert, geben wir wieder etwas mehr dazu. Je öfter wir das machen, desto, kräftiger und "g'schmakiger" wird das Ganze. 


Nach zwei Stunden sollte das dann deutlich dunkler aussehen und ein rötlicher Ölfilm oben aufschwimmen. Das Fleisch ist nun im Idealfall "kernig-weich" sein. Zart also, aber nicht matschig.

Wir lassen das Gulasch noch einmal offen kurz einkochen, bis die gewünschte Sämigkeit erreicht ist und schmecken ab. Mehl oder andere Bindemittel werden nicht gebaucht.


Feine Brocken, das gibt ein glänzendes Fell und ist lecker. Dazu entweder frische Kaisersemmel, Knödel oder Salzkartoffeln. Vermisse ich Sahne und Paprikaschoten? Nein, ich bin endlich geläutert. Halleluja!
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Flashback:


Heute vor einem Jahr: Aioli

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