Sonntag, 22. September 2019

Bratnudeln mit Gemüse, Huhn und Wok-Hei


Wenn es eins gibt, von dem man in der Küche nie genug haben kann, dann ist das Power unter dem Herd. Wenn man sich fragt, warum viele Dinge in Restaurants anders schmecken, als zu Hause, ist die Antwort oft einfach: Profiherde. Die haben mehr Hitze, dadurch entstehen zum einen mehr Röstaromen und zum anderen gart man schneller, was in den meisten Fällen für den Geschmack und die Inhaltsstoffe von Vorteil ist. In der chinesischen Küche wird das extrem offensichtlich. Mit einem Haushaltsherd - egal ob Gas, Elektro oder Induktion - kommt man an die brüllend heißen Drachenmäuler, auf denen die Woks betrieben werden, nicht mal ansatzweise heran. So  bleibt der Wok im Heimbetrieb auch nur eine dekorative Pfanne mit hohem gewölbten Rand. Zum Geschmack oder Garzeit trägt das leider nichts bei, es sei denn, man hat einen richtigen Wokbrenner zu Hause. Und wie es der Zufall so will, habe ich das seit 2014.


Heute waren Bratnudeln gewünscht und ich habe die Gelegenheit genutzt, den Wokbrenner nach langer Zeit mal wieder zu aktivieren. Das Ding hat 26 kW und klingt, wie das Triebwerk eines Eurofighters. Ich sage das nicht nur, falls ein Vertreter meiner Gebäudeversicherung mitliest, aber ich bin ein erklärter Anhänger der aerobern Lebensweise und auf verzichte auf Sauerstoff in Räumen, in denen ich mich aufhalte, nur ungern. Also betreibe ich dieses Tor zur Hölle nur unter freiem Himmel.


Hier ist die Mieze schon am Platz. Die klassische französische Küche hat uns gelehrt, dass Vorbereitung alles ist und bevor wir mit dem Kochen beginnen, Zutaten und Kochgeräte fertig präpariert und griffbereit sein müssen (mise en place). Das wir aber auch schon Jahrhunderte früher von den Chinesen lernen können, denn eins ist klar: ist der Wok erst heiß, ist keine Zeit mehr, Vergessenes nachzuholen. Es ist schon schwer genug, während des Wokens zu fotografieren.

Nun zu den Zutaten für sechs Portionen. Für Bratnudeln braucht man, wer hätte es gedacht, Nudeln. Dazu nehme ich hier 375 Gramm Mie-Nudeln. Die werden nach Packungsvorschrift gegart, kalt abgeschreckt und mit etwas Öl vermengt. Würden wir bei italienischer Pasta natürlich niemals nimmer nicht machen.

Gemüse nach Wahl. 
  • 1 Karotte
  • 1 Zwiebel
  • 1/2 Tasse Erbsen
  • Handvoll Mungobohnensprossen
  • 1 Tasse Bambussprossen
  • Murr-Err Pilze (eingeweicht und gut ausgdrückt)
  • 5 Frühlingszwiebeln
  • 1 Mono-Knoblauchzehe oder drei normale
  • 1 cm Ingwer
Mengen und Zuschnitte kann man auf dem Bild erkennen.
  • 500 g Fleisch (hier Hähnchenschenkel ohne Haut und Knochen)
  • 1 Eiweiß
  • 2 TL chinesischer Reiswein (Shaoxing)
  • 2 TL helle chinesische Sojasauce
  • 1,5 TL Stärke
  • 1Salz
  • weißer Pfeffer
Huhn in dünne Streifen schneiden. Eiweiß leicht schaumig schlagen, alle Zutaten gut vermengen und zwanzig Minuten marinieren lassen.

Sauce:
Verrühren. Fertig. 

Sonst noch:
  • Öl
  • Schuss chinesischer Reiswein (Shaoxing)

Ich habe einen einfachen Karbonstahl-Wok mit Holzgriff. Gut eingebrannt ist der anti-haftend wie eine Teflonpfanne, verträgt aber mehr Hitze. Vor dem eigentlichen Kochen wird er trotzdem noch einmal schnell "versiegelt". Dazu wird ein ordentlicher Schuss Pflanzenöl mit hohem Rauchpunkt stark erhitzt, herumgeschwenkt und wieder abgegossen. Jetzt sollte nichts mehr haften. Bei einem Wok auf dem heimischen Küchenherd entfällt dieser Schritt natürlich.

Noch ein Wort zum Öl. Das wird in chinesischen Restaurants in der Regel nach Gebrauch durch ein Sieb gegossen und immer wieder verwendet. Mit der Zeit wird es immer dunkler und aromatischer. Solange es nicht verbrennt oder beginnt bitter zu schmecken, bleibt es in Benutzung. Für alle Gerichte. Deshalb kann man nie wissen, ob in dem Öl, mit dem der Tofu für die buddhistische Fastenspeise gebraten wird, vorher nicht eine knusprige Ente geschwommen hat. Das nur mal so am Rande.


Wieder eine gute Ladung Öl in den Wok geben, bei voller Kraft erhitzen und das Fleisch hinzufügen. Dreißig Sekunden durchschwenken, in ein Sieb gießen und das Öl darunter wieder auffangen.


Wok wieder erhitzen und das Fleisch noch mal dreißig Sekunden in einem Esslöffel Öl pfannenrühren. Weißer Rauch ist erwünscht und führt zum im Titel erwähnten "wok-hei" - dem typischen Wokgeschmack, der durch die extreme Hitze entsteht. Spontane Flammenbildung ist hier keine Seltenheit und sogar zielführend.

Einen Schuss Shaoxing angießen - jetzt kommen mit Sicherheit Flammen - durchschwenken und Fleisch aus dem Wok holen.

Auf einem Haushaltsherd brate ich das Fleisch immer in Etappen und etwas länger, damit mir die Temperatur nicht in die Knie geht. Brauche ich hier aber keine Angst haben


Wieder etwas Öl erhitzen und die Nudeln eine Minute durchschwenken. Ist der Wok gut vorbereitet, klebt hier nichts. Nudeln ebenso beiseite stellen.


Knoblauch, Ingwer und weiße Frühlingszwiebelteile bei mäßiger Hitze anbraten, dabei immer rühren. 


Duftet es, geben wir das Gemüse nach benötigter Garzeit hinzu und braten es kurz bei voller Hitze. Ich fange mit den Karotten an, dann folgen in Abständen Bambussprossen, Zwiebeln, Erbsen, Pilze und Mungobohnensprossen. Zum Schluss kommt das Fleisch wieder zurück ins Bratgerät.


Hitze reduzieren, dann die Nudeln und die nochmals durchgerührte Sauce hinzufügen.


Grüne Frühlingszwiebeln in den Wok geben, vermischen und fertig. Das hat jetzt von Beginn der Kochzeit bis zum Ende keine fünf Minuten gedauert. Dazu kommen noch Marinier-, Einweich- und Pastakochzeit. Da kommen wir mit einiger Übung auf maximal 30 Minuten - schneller ist kein Lieferdienst.


Es ist wie bei der Pizza gestern. Natürlich kann man solche Gerichte auch ohne Spezialgeräte anfertigen, auf das letzte bisschen Geschmack muss man dann aber verzichten. Durch die extreme Hitze des Wokbrenners bekommen die Gerichte eine unbeschreibliche "röstige" Note, die vermutlich durch Maillard-Reaktion und Karamellisierung hervorgerufen wird und bereits eintritt, bevor die Zutaten übergart sind. Wok-Hei eben. 
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Flashback:


Heute vor einem Jahr: Kimchi

2 Kommentare:

  1. Ich liebe solche Gerichte...leider muss ich da dann auf den heimischen E-Herd mit 0815 Wok zurückgreifen :(

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    1. Das geht auch, dauert nur etwas länger. Und dann lieber portionsweise, damit nicht zu viel im Wok ist und die Temperatur in die Knie geht.

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