Char Siu, das berühmte kantonesische Grill-Schweinefleisch, ist neben der Pekingente mit Sicherheit eins der leckersten Gerichte, das die chinesische Küche zu bieten hat und vielleicht auch eins der berühmtesten. Das Fleisch hat nach dem Garen eine Farbe, die je nach Würzung zwischen Zinnober und Mahagoni liegt. Es ist zart und schmeckt leicht aromatisch-süß. Dabei spielt die Marinade eine große Rolle. Die kann man natürlich bereits fertig kaufen oder aber einem der Rezepte folgen, die ich hier schon im Angebot habe. Da werden aber auch nur weitgehend fertige Saucen aus dem Asialaden vermengt. Das ist nichts Schlimmes, aber heute geh ich einmal den vollen Weg und mache meine Char Siu -Sauce oder 叉烧酱 (Chāshāo jiàng) soweit wie möglich von Grund auf, ohne eigene Sojasauce brauen zu müssen.
Gefunden habe ich das Rezept bei einem meiner Lieblings YT-Channels Chinese Cooking Demystified und wenn ich irgendwann insolvent sein sollte, werden Steph und Chris daran nicht ganz unschuldig sein. Ich musste hier nämlich wieder einmal in die tiefsten Tiefen des Internets tauchen, um alle nötigen Zutaten zu beschaffen. Zum Beispiel das Teil hier auf dem Bild. Das ist keine Kiwi, ...
... sondern eine 罗汉果 - Luo Han Guo (lLuó Hàn Guǒ) oder Mönchsfrucht in getrocknetem Zustand. Das Ding ist sehr süß und spielt - zum Beispiel als Tee verabreicht - in der traditionellen chinesischen Medizin eine große Rolle. Mönchfrüchte hier aufzutreiben ist nicht einfach, zumindest habe ich lange suchen müssen.
Das ist aber noch längst nicht alles. Das Rezept soll am Ende 400 Milliliter ergeben. Ich splitte es der besseren Übersicht halber mal auf. Im ersten Durchgang brauchen wir:
- 3 cm Ingwer
- 4 Frühlingszwiebeln
- 8 Sternanis
- 2 Stück Zimtstange- oder Rinde
- etwas getrocknete Mandarinenschale
- 12 Nelken
- 2 Kapseln Tsaoke (chinesischer schwarzer Kardamom) leicht angestoßen
- 1/2 Luo Han Guo
- 1 EL getrocknetes Süßholz
- 60 ml helle chinesische Sojasauce
- 60 ml chinesischer Reiswein (Shaoxin)
- 600 ml Wasser
- Öl
Ingwer - muss man nicht schälen, wenn er sauber ist - und Frühlingszwiebeln fein hacken und in wenig Öl anschwitzen, bis es duftet.
Wasser, Sojasauce und Reiswein angießen.
Die anderen Zutaten hinzufügen, aufkochen und gut eine Stunde simmern lassen. Bei niedrigen Temperaturen sollte nichts passieren, trotzdem empfiehlt es sich hin und wieder nachzuschauen, ob Wasser nachgegossen werden muss.
Im Prinzip machen wir uns hier einen klassisch chinesischen 卤水 (Lu Shui) oder Schmorsud. Den gießen wir dann durch ein feines Sieb und fangen die Flüssigkeit natürlich auf, denn um die geht es uns ja. Der Sud sollte jetzt schon grandios duften und voller Geschmack sein.
Eine weitere Zutat, die nicht einfach zu finden war: gemahlener rot-fermentierter Reis. Das gibt dem Char Siu klassischerweise die charakteristisch rote Farbe. Ich sage "klassisch", denn heutzutage wird da aber eher künstliche Speisfarbe benutzt. Alternativ könnte man edelsüßes Paprika verwenden.
Dieses Reismehl gibt auch dem rot-fermentierten Tofu seine Farbe. Von dessen Marinade nehmen wir auch etwas, das unterstütz die Farbe und liefert ein wenig Säure mit.
Hier also die zweite Zutatenrunde:
- 1/4 TL Kencur-Pulver
- 50 g Kandis
- 1 EL Marinade von rot-fermentiertem Tofu aus dem Glas
- 1 /4 TL gemahlener rot-fermentierter Reis
- 3 EL rote Misopaste
- 3 EL Maltose
Chinesische Misopaste wäre fantastisch, aber die habe ich hier leider gar nicht bekommen. Die japanische (oder eine koreanische Variante) ist aber in diesem Fall ein guter Kompromiss. Zur Maltose später mehr. Bliebe noch das Kencur-Pulver zu erwähnen. Das ist gemahlene Gewürzlilie, der zur Galgantfamilie gehört. In der englischsprachigen Welt ist das Gewürz auch als sand ginger oder cutcherry powder bekannt.
Wir nehmen jetzt gut 300 Milliliter unsers Schmorsuds und erhitzen ihn wieder langsam. Dann geben wir die oben genannten Zutaten der zweiten Runde dazu und lassen alles leicht köcheln, bis der Zucker aufgelöst ist und die Sauce leicht eindickt.
Reduziert das Ganze zu stark, gießen wir Schmorsud nach.
Dann geben wir die Maltose dazu. Das ist ein chinesischer Malzsirup, der für einen schönen Glanz sorgt, aber nicht zu süß ist. Maltose ist die klebrigste Substanz, die im bekannten Universum existiert. Man könnte Risse im Raum-Zeit-Kontinuum damit flicken (check: ja, das "l" ist da, puhh!).Gut verrühren und unsere Char Siu-Sauce sollte fertig sein. Herrlich duftend, aromatisch und leicht dickflüssig.
Char Siu-Sauce klassisch kantonesischer Art mit Zutaten, die heutzutage wohl auch in Guangdong kaum einer noch benutzt. lohnt sich der Aufwand und steht das Ergebnis in Relation zum Beschaffungsaufwand, den Kosten und dem ökologischen Fußabdruck, wenn man sich Sachen aus China kommen lässt? Geschmacklich auf jeden Fall. Alltagstauglich eher weniger. Da kann man gut zu den anderen, einfacheren Rezepten greifen. Aber ich sage ja immer, man muss einmal den kompletten Weg gegangen sein, bevor man sich Abkürzungen erlaubt. Ich bin sehr zufrieden und kann ein weiteres Projekt abhaken und als Erfolg verbuchen. Allein das ist ja schon ein gutes Gefühl.
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Flashback:
Heute vor zwei Jahren: Oklahoma Onion Burger
sehr geil. das klingt echt toll
AntwortenLöschenDa kann ich bei aller Bescheidenheit nicht widersprechen.
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