Wenn jemand behauptet, er habe ein "toskanisches Originalrezept für Bolognese", dann sollte man ganz schnell weglaufen. Oder einen Arzt rufen. Oder beides. Am besten einen, mit Geographiekenntnissen. Bologna liegt nämlich in der Emilia-Romagna, ja, ist sogar die Hauptstadt dieser Provinz und damit in etwa so toskanisch, wie Düsseldorf niedersächisch oder München hessisch ist. Bei meinem Ragù alla Bolognese kenne ich dann auch keinen Spaß und halte mich sklavisch genau an die Vorgaben des bei der Industrie- und Handelskammer in Bologna hinterlegten ricetta tradizionale, das einer Norm entspricht und genau festlegt, was in eine echte Bolognese darf und was nicht. Da können noch so viele Leute in ihren "originalen Rezepten" schreiben, was sie wollen, aber Tomaten und Kräuter, ja sogar Knoblauch, haben in einer Bolognese nichts verloren. Und der Kochwein muss auch weiß und nicht rot sein. Da hilft auch die Oma in der Toskana nicht, die Bolognese angeblich immer so kocht, der Oma aus Bologna sollte man da mehr trauen.
Das soll nicht heißen, dass man es nicht auch in der Toskana versteht, fantastische Ragouts zu kochen, die in manchen Fällen der Bolognese nicht unähnlich sind. Aber auch Roquefort und Gorgonzola ähneln sich, und trotzdem würde keiner behaupten, sie seien dasselbe.
In der Toskana wird gerne Schweinefleisch und besonders Wildschwein für Ragouts genommen. In einer idealen Welt hätte ich auch das leckere Fleisch des Schwarzkittels verwendet, leider war es auf die Schnelle nicht zu bekommen. Also habe ich auf gemischtes Hackfleisch (Schwein und Rind) zurückgegriffen. Es ist aber auch jede andere Art des Gehackten denkbar (na gut, von Thunfischtartar würde ich hier abraten). Man kann natürlich auch ganze Fleischstücke nehmen und sie faserig kochen und dann im Topf zerrupfen. So mag man derartige Ragouts wohl gemacht haben, bevor der Fleischwolf erfunden wurde. Das fertige Ragout ist dann durch Rotwein - Chianti, da toskanisch, wäre die logische Wahl - und Hähnchenleber auch wesentlich gehaltvoller und rustikaler als die im Gegensatz hierzu fast filigran anmutende Bolognese. Aber mindestens genauso lecker. Interessant ist es, beide Varianten parallel zu kochen und zu sehen, wie sich die Ragouts beim Schmoren unterschiedlich entwickeln, jedoch trotzdem auf gewisse Weise verwandt bleiben.
- 1000 g Hackfleisch (hier: halb Schwein, halb Rind)
- 250 g Pancetta dolce (oder mild geräucherter Bacon)
- 250 g Hähnchenleber
- 170 g Zwiebeln
- 170 g Möhre
- 170 Stangensellerie
- 4 - 5 Knoblauchzehen
- 60 g Tomatenmark
- 200 ml Rotwein
- 1 große Dose / 750 g Schältomaten (San Marzano)
- 500 ml Rinderfond
- Kräuter (hier: Rosmarin, Salbei und Lorbeer)
- 3 - 4 Nelken (nach Geschmack)
- Muskatnuss
- Salz
- Pfeffer
- Zucker
- Butter
- Olivenöl
Zunächst brauchen wir, wie bei allen italienischen Schmorgerichten, ein soffritto. Dazu werden die Zwiebeln und Karotten geschält und mit dem Sellerie fein gewürfelt. Nun lässt man diese Zutaten bei schwacher Hitze in einer Mischung aus Butter und Olivenöl anschwitzen. Wir wollen hier keine starke Farbe, sondern eher die Umwandlung von St.ärke in Zucker innerhalb der Gemüse. Hier geben wir noch unsere in kleine Würfel geschnittene pancetta und die von Sehnen und Adern befreite, breiig gehackte Hähchenleber dazu und lassen alles bei gelegentlichem Umrühren zwanzig bis dreißig Minuten leicht schmoren.
Das Hackfleisch wird ebenfalls mit Olivenöl und Butter angebraten. Hier empfiehlt es sich, einen großen Topf zu benutzen. Dazu das Fleisch in das heiße Fett geben und warten. Nicht sofort herum rühen, sondern erst einmal Temperatur und Farbe annehmen lassen. Dann erst durchrühren und das Hackfleisch weiter krümelig braten. In der Zwischenzeit den Knoblauch schälen und fein hacken. Mit dem Tomatenmark zum Fleisch geben und etwas anrösten lassen.
Nun geben wir auch das soffritto zum Fleisch. Ich lösche dann die Pfanne, in der ich das Gemüse vorbereitet habe, mit einem kräftigen Schuss Rotwein ab, um alle Rückstände vom Boden zu lösen und gebe den Pfanneninhalt nun in den Topf, um auch hier abzulöschen. Nach Bedarf und Laune geben ich noch mehr Rotwein dazu, lasse diesen aufkochen und etwas reduzieren.
Da nicht jeder gerne auf Nelken herumkaut, stecke ich diese entweder in ein Teeei oder eine Teefilter, den ich zuknote. So lässt sich das Gewürz später leichter entfernen, besonders, wenn das Ragout beim Schmoren beginnt, zu nelkig zu schmecken.
Nun gebe ich die Nelken, meine Kräuter (eventuell mit Küchengarn zu einem bouquet garni zusammengebunden) und die Tomaten mit dem Saft und genug Fond dazu, das alles gut bedeckt ist. Wir lassen alles aufkochen und auf kleinster Flamme schmoren.
Nun machen wir als nächstes: nichts, außer gelegentlich umrühren und etwas Fond nachzugießen, falls das Ragout anzubrennen droht.
Zunächst schmeckt das Ganze noch nach gar nichts und man wird beim ersten Probieren vermutlich mächtig enttäuscht sein. Aber nur Geduld und Vertrauen, das Ragout braucht seine Zeit und der Geschmack entfaltet sich langsam, aber letztlich gewaltig. Wer jetzt die Nerven verliert und wild herumwürzt, wird am Ende mit etwas völlig Überwürztem dar stehen, bei dem der Eigengeschmack der Zutaten bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt worden ist. Am Ende? Wann bitte schön ist denn das Ende? Nun, nach zwei Stunden beginnt das Ragout soweit zu schmecken, dass man es - leicht mit Pfeffer, Salz, frisch geriebener Muskatnuss und nach Bedarf einer Prise Zucker abgeschmeckt - genießen kann. Jede weitere Stunde ist ab jetzt geschmacklich ein Quantensprung. Unter vier Stunden kocht das Ragout - übrigens auch die Bolognese - bei mir nie.
Hier ist ein Zwischenergebnis nach zweieinhalb Stunden. Ich habe das Ragout heute schon einmal vorgekocht und wieder abkühlen lassen. Morgen schmort es dann weiter. Mal sehen, wofür ich es verwenden werde. Ich bin selbst schon ganz gespannt ...
das rezept kann man gar nicht oft genug aus der gruft holen
AntwortenLöschenPraktisch der Berlusconi der Rezepte. Aber vermutlich ohne Leber für dich.
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