Dienstag, 12. Februar 2019

Nur mal so ... (Teil 126)


Irgendwie fällt mir immer wieder auf, dass wir Deutschen ein gestörtes Verhältnis zum Essen haben. Gut, es gibt mittlerweile viele Mitmenschen, die sich ernsthaft darüber Gedanken machen, wo ihr Essen herkommt und unter welchen Bedingungen es entstanden ist. Leider sind das aber noch längst nicht so viele, wie es wünschenswert wäre. Natürlich weiß jeder, dass die sprichwörtlichen zwei Kilo Hähnchenschenkel für 1,99 Euro nicht auf Bäumen wachsen, trotzdem ist das der Masse der Konsumenten bestenfalls egal. Essen ist hierzulande oft nur ein notwendiges Übel, aber nichts, das mit Genuss oder gar Kultur zu tun hat. Man pfeift sich zwischen zwei Terminen irgendwas im Stehen hinter die Kiemen, Hauptsache es geht schnell und ist billig. Habe ich heute gerade wieder erlebt, als ich beim Bäcker meines Vertrauens Baguette kaufte. Da stürmt eine durchgestlyte junge Frau ins Geschäft und sagt: "Ich brauche ein Brot, egal was für eins..."

Dieses Verhältnis zum Essen ist vielleicht auch kulturell geprägt. Ich habe neulich mal darüber nachgedacht, was "meine" Region, das Weserbergland, so kulinarisch zu bieten hat. Machen wir es kurz, mir ist nicht viel bis gar nichts eingefallen. Hier hat man traditionell morgens alles in einen Topf geworfen, diesen auf den Herd gestellt und wenn man abends vom Feld kam, war der Matsch fertig. Genuss? Wo kämen wir da hin - reiner Treibstoff sonst nichts.


Das spiegelt sich dann auch in Worten wieder. "Sättungsbelage" ist zum Beispiel eine dieser Bezeichnungen, die keiner Sprache zur Zierde gereicht. Man stelle sich vor, auf der Speisekarte einer Trattoria würde "Tomatensauce mit Sättigungsbeilage" statt spaghetti al pomodoro stehen. Undenkbar. Genauso verhält es sich mit Begriffen wie "Mittag-" beziehungsweise "Abendessen". Nackter und kälter kann es kaum sein. Wann? Abends. Was? Essen. Funktionaler geht es nicht. Da ist keine Leidenschaft zu erkennen, das ist alles andere als sexy und zeugt nicht von Genussdenken. 

Schauen wir nach Frankreich. Da heißt Frühstück le petit déjeuner. Das kommt von jeun "nüchtern" und jeuner für "fasten". Das wäre dann morgens "die kleine Entfastung". Analog dazu das englische breakfast, wo auch der Gedanke des Fastenbrechens erkennbar ist. Darin steckt schon eine gewisse Art der Vorfreude, leckere Dinge essen zu dürfen. Hier: Frühstück. Wann? Früh. Was? Ein Stück irgendwas. Ist ja auch egal was, Hauptsache billig.


Mir ging es die Tage nicht so gut und ich habe nicht viel Essen können. Heute gab es dann tatsächlich Abendbrot (Wann? Abends. Was? Brot.) - ein für mich völlig fremdes Konzept, da es nichts warmes Gekochtes beinhaltet. Italienischer lufgetrockneter Prosciuotto, Tomatensalat mit Feta, spanische Fuet, Rettich mit guter Butter, toskanische Salami, dazu Baguette und zur Abrundung ein wenig Aleppo-Chili-Flocken - mehr brauche ich eigentlich nicht. Ich habe für sowas übrigens auch schon den Namen "Couchteller" gelesen - etwas, das mir noch fremder ist, da ich eigentlich so gut wie nie auf der Couch sitze und eigentlich auch kein Fernsehen schaue.
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Flashback:


Heute vor einem Jahr: saftige Hähnchenbrust

2 Kommentare:

  1. Sehr guter Beitrag!!
    Ich glaube es hat aber auch immer mit der herkunft zu tun wie man Essen wertschätzt..in Frankreich oder Belgien zb ist es üblich, dass die Leute eher ihr letztes Geld für Essen ausgeben als für andere Sachen..Ich habe den Eindruck in Deutschland ist das eher anders, da wird dann halt mehr Wert auf anderes gelegt.
    Aber es ist doch gut, dass es eben solche Blogs wie deinen oder den von Jörg gibt, wo Leute manchmal auch an die Hand
    genommen werden zu erkennen, was Lebensmittel (also frische) wert sind und was man alles fuer tolle Sachen damit
    herstellen kann :)

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