Samstag, 5. Februar 2022

India Haus in Hameln


Wenn immer ein neues Restaurant in der Nähe öffnet, werde ich neugierig und möchte es besuchen. In Hameln hat nun bereits letztes Jahr das India Haus seine Pforten und damit die zweite Speisegaststätte dieser Provenienz in der Stadt geöffnet. Den Take-Away-Dienst hatten wir bereits Ende letzten Jahres ausprobiert und waren, sagen wir es einmal so, semi-zufrieden. Da gefiel uns die Konkurrenz, der Indian Palace, besser. Dafür herrscht da aber eher ein (gehobenes) Imbiss-Flair. Zum gemütlichen Essen in netter Runde sind wir hier deutlich besser aufgehoben. Also testen wir das Essen einmal direkt und frisch im Restaurant, denn in Alu- und Styroporschalen durch die Stadt kutschiert, verliert jedes Mahl an Qualität.
   

Die Lage könnte nicht besser sein. Das Restaurant liegt nicht nur in einer der beiden Fußgängerzonen (mit Parkhaus in der Nähe), sondern auch noch im berühmtesten Gebäude der Stadt, dem Rattenfängerhaus. Dieser 1602 im Stil der Weserrenaissance errichtete Profanbau ist Mittelpunkt jeder Stadtführung. also kann man es als Besucher Hamelns gar nicht verfehlen. Zudem steht es direkt neben der Bungelosenstraße, durch die der Rattenfänger der Sage nach im Jahre 1284 die Kinder flötend aus der Stadt lockte. Kein Witz, seitdem wird in dieser Gasse nicht mehr musiziert. Jahrelang, ach was, jahrzehntelang beheimate es ein gleichnamiges Restaurant mit gut-bürgerlicher, wenn auch leicht antiquierter Küche. Damit war dann 2020 Schluss und ein Jahr später zog dann das Indian Haus, vermutlich ohne Flöten, ein.


Der Gastraum zieht sich über zwei Etagen mit kleinen Separées auf halber Treppe. Kaum hat man die obligatorische (und sinnvolle) Abfrage des Impfstatus hinter sich und sich gesetzt, kommt auch schon ein Gruß aus der Küche. Knusprige Papadams - frittierte oder gebackene Fladen aus Kichererbsenmehl und pikanten Gewürzen - mit einer Art Mango Chutney. Nette Geste, aber natürlich auch ein guter Weg, den Getränkeumsatz anzukurbeln. Die Fladen sind mit Sicherheit nicht handgemacht, aber das macht eigentlich keiner, schon gar nicht für ein Restaurant. 


Vorweg dann Samosas, kleine Teigtaschen, wahlweise mit Hackfleisch oder Gemüsefüllung. Kann man haben, die perfekte Form und Gleichheit der Taschen lässt vermuten, dass sie fertig zugekauft werden. Wenn man jetzt noch auf der Webseite sieht, dass es das India Haus auch in Hildesheim, Lüneburg und Uelzen gibt, wird aus der Vermutung fast schon Gewissheit.

Eins aber muss angesprochen werden: die Balsamicocreme. Die ist nämlich gleich zwei Dinge nicht: indisch und nötig. Lasst das doch bitte weg. Diese fiese Pampe braucht kein Mensch und sie trägt auch nichts zum Gericht bei.


Lockerer Basmatireis, leicht mit Kurkuma gefärbt. Mit einem Reiskocher kann man da nicht viel falsch machen. 


Bhatura - die frittierte Brotfladen gehören hier wie der Reis zu (fast) jedem Essen.


Shahi Bengan - Auberginen, gefüllt mit Rahmkäse, Nüssen und Rosinen in pikanter Sauce, traditionell im Kadai serviert. Beim Betrachten des Bildes fällt mir siedend heiß ein, dass ich mich noch in der LUCA-App abmelden muss.


Tinda Gosht - indisches Gemüse mit Lammfleisch in einer Currysauce.


Scampi Masala - Garnelen mit grüner Paprika, Zwiebeln, frischen Tomaten und frischem Ingwer. Serviert auf der heißen Brutzel-Platte


Chicken Tikka - gegrilltes mariniertes Hühnerbrustfilet in einer Tomaten-Curry-Sauce.


Die "India Haus-Grillplatte" - eine Mischung von Tandoori Chicken, Chicken Tikka, und Seekh Kebab - Lammhackfleischspieße - mit würziger Sauce, für mich extra indisch scharf. Das Fleisch, wie bei allen Gerichten, phänomenal zart und trotz der Vielfalt der Gewürze drum herum geschmacklich gut.

Ich komme in meiner abschließenden Einschätzung noch mal hierauf zurück, aber die Optik der letzten drei Gerichte macht schon mal eins deutlich: die Gerichte sind modular aufgebaut, so dass nur das Protein ausgetauscht und auf Wunsch mehr weniger oder Chilipulver verwendet werden kann. Die Zitronenscheiben erfüllen wohl auch weniger dekorative Zwecke, sondern sorgen vielmehr dafür, dass der Service die Sachen unterscheiden kann. Ist das schlimm? Nicht zwingend, denn geschmeckt hat das alles, daran besteht kein Zweifel. Und das ist es ja auch, worum es geht.    


Nachtisch: Mangocreme. Das ist vermutlich ganz simpel püriertes Fruchtmus in Joghurt gerührt. Einfach, aber effektiv und nach scharfem Essen oder an heißen Tagen sicher eine Wohltat. Der Fleck auf der Tischdecke links kommt von mir.


Gulab Jamun - Bällchen aus Weizengrieß mit Milch in einer Honigsauce. Das einzige am heutigen Abend, mit dem keiner so richtig etwas anfangen konnte. Ich habe keinen blassen Schimmer, ob die Dinger so schmecken müssen oder ob es die auch in lecker gibt, aber das war ... ich weiß nicht. Ein fast schweißiger Duft und ein Mundgefühl, als ob man in mit flüssiger Butter durchtränktes Marzipan gebissen hätte.  

Fazit: das Essen war lecker und um Klassen besser, als das außer Haus-Erlebnis. Wer gerne indische Restaurantküche isst, wird hier sicher glücklich werden. Das Personal ist freundlich und die Preise human. Wenn man, so wie ich, auf authentische Gerichte steht, sind die Ansprüche natürlich andere und man findet eher Kritikpunkte. Indien ist ein riesiger Subkontinent und wenn wir hier auch noch kulinarisch Pakistan und Bangladesch dazunehmen, haben wir eine enorme Vielfalt. Es gibt zwar im ganzen Land Currygerichte, aber der Aufbau ist überall anders und ein Fischcurry Kerala-Style wird nicht zum Vindaloo, nur weil man das Protein wechselt. Aber da das die falschen Maßstäbe sind, sollten sie hier nicht angelegt werden. Es geht, wie gesagt, um indische Restaurantküche in Europa und dafür ist das richtig gut. Man würde sich auch mit hundertprozentig authentischer Küche kaum Freunde machen, denn die wenigsten hier kauen gerne auf Kardamomkapseln, Nelken oder anderen ganze Gewürzen herum. Betrachtet man die Sache so, hat hier ein gutes "exotisches" Restaurant, in dem man vergnügte Stunden verbringen kann und satt nach Hause geht.
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Flashback:









Heute vor drei Jahren: Pasta alla norcina

2 Kommentare:

  1. Also, wenn die Kellner einem nicht sagen was was ist, dann kommt man von selbst nicht unbedingt drauf. Es sieht alles gleich aus. Die indische Vielfalt kommt schon auf den Teller, in Deutschland aber nicht.
    Der indische Dirigent Zubin Metha äußerte sich in einem Interview entsprechend "mit indischer Küche hat das hier servierte nichts zu tun". Seinerzeit war er oft in München und besuchte das beste Thai Restaurant vor Ort;-) Das bekochte auch Königin Sirikit wenn sie im "Vier Jahreszeiten" logierte.
    Ja, man kann das indische Futter essen, aber ein Herzinfarkt ist es nicht.

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    1. Ich sage ja, authentisch ist das nicht. Es ist aber, was Europäer in indischen Restaurants erwarten. Die originale Schärfe mancher (nicht aller) Gerichte, ganze Gewürze in der Sauce oder mundgerechte Fleischhappen mit Knochen sind eben nichts, was man hier möchte. Das India Haus bedient den Mainstreamgeschmack und das machen sie gut. Wer aber authentische Rezepte möchte, darf gerne hier stöbern. ich habe da einiges zu bieten, meine ich.

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